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Mehrwegsteigen in Mehrwegsystemen: Gewerbesteuerliche Behandlung

04.02.2021

Das von einem Großhandelsunternehmen für Obst und Gemüse, das die Produkte seiner Erzeugerorganisation vertreibt, für die Gebrauchsüberlassung so genannter Mehrwegsteigen (Mehrwegbehältnisse für den Transport und Präsentation von Waren) gezahlte Entgelt unterliegt nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1d Gewerbesteuergesetz (GewStG). Dies hat das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein entschieden.

Die Klägerin belieferte den Einzelhandel mit ihren Waren. Dabei wurden so genannte Mehrwegsteigen genutzt, die im Rahmen eines umfassenden Mehrwegsystems der Klägerin gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wurden. Die Steigen nutzte die Klägerin für die Verpackung der Waren und den Transport von den Erzeugern zu den jeweiligen Kunden des Einzelhandels. Dort wurden die Waren in den Mehrwegsteigen präsentiert.

Im Streitjahr 2011 nutze die Klägerin Mehrwegsteigen zweier unterschiedlicher Anbieter. Das Unternehmen H stellte dabei ein umfassendes Mehrweg- und (Rück-)Logistiksystem zur Verfügung. Die Steigen wurden grundsätzlich direkt an die Erzeuger geliefert. Von dort wurden sie nach Befüllung mit den Waren durch die Klägerin selbst oder in deren Auftrag an den Einzelhandel verbracht. Das Unternehmen H betrieb sodann die gesamte Rücklogistik der Steigen. Diese Leistungen wurden als so genannte Systemleistungen bezeichnet. Das Unternehmen L stellte die Steigen dagegen für die Klägerin zur Abholung ab ihrem Depot bereit. Nach Befüllung durch die Erzeuger wurden sie dorthin von der Klägerin zurückgebracht. Die Auslieferung an die Einzelhandelsfilialen des Unternehmens L und die Rücklogistik der Steigen erfolgte von L in eigener Organisation.

Bei Art und Menge der Bestellung der jeweiligen Mehrwegsteigen orientierte sich die Klägerin eng an den jeweiligen Warenbestellungen des Einzelhandels und an deren strengen Vorgaben für die Art der – je nach Ware oder Warengruppe – zu nutzenden Mehrwegsteigen. Diese waren in der Regel ein bis drei Tage bei der Klägerin im Umlauf. Einen längerfristigen Bestand an Mehrwegsteigen hielt die Klägerin nicht vor.

Zwischen den Beteiligten war in Bezug auf § 8 Nr. 1d GewStG vor allem umstritten, ob es sich – wie das Finanzamt angenommen hatte – im Fall (fiktiven) Eigentums an den Mehrwegsteigen um Anlagevermögen der Klägerin handelte und ob es sich bei den zwischen der Klägerin und ihren jeweiligen Vertragspartnern geschlossenen Verträgen um Mietverträge handelte oder ob die Verträge wesentliche mietvertragsfremde Elemente aufwiesen und diese im Vordergrund standen beziehungsweise ein Vertrag eigener Art anzunehmen war.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Ausgehend von den Vorgaben des Bundesfinanzhofes (BFH) nahm es an, dass sich die von der Klägerin genutzten Steigen unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstands des Unternehmens und der betrieblichen Verhältnisse bei unterstelltem (fiktiven) Eigentum nicht als Anlage-, sondern als Umlaufvermögen darstellen. Bereits aus diesem Grund sei eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1d GewStG ausgeschieden.

Die schwierige Abgrenzungsproblematik in diesem Fall bestand laut FG darin, dass die Mehrwegsteigen einerseits eine Transportfunktion aufwiesen, indem sie von der Klägerin für den Transport von den jeweiligen Erzeugern zum Einzelhandel genutzt wurden, andererseits aber die Nutzung Teil eines umfassenden Mehrwegsystems war, bei denen die Mehrwegsteigen auch der Verpackung der Waren und der Präsentation beim Einzelhandel dienten und die Klägerin sich bei der Bestellung der Mehrwegsteigen eng an den strikten Vorgaben des Einzelhandels hinsichtlich der Art der zu nutzenden Mehrwegsteigen ausrichtete und hinsichtlich der Menge jeweils an dem aktuellen Warenbedarf des Einzelhandels orientierte.

Entscheidend war schließlich für das FG, dass die Mehrwegsteigen nach den betrieblichen Verhältnissen nicht vorrangig als "Produktionsmittel" für den Handel mit Obst und Gemüse bestimmt waren, sondern vielmehr eng mit der gehandelten Ware der Klägerin, die unstreitig Umlaufvermögen darstellt, verknüpft waren und sich mit deren Ablieferung beim Einzelhandel verbrauchten. Maßgebend sei hier gewesen, dass die Klägerin sich sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Art der jeweils genutzten Mehrwegsteigen eng an dem Bedarf und den Vorgaben des Einzelhandels orientierte. Durch die strikten Vorgaben des Einzelhandels hinsichtlich der Art der zu benutzenden Steigen könne man das von der Klägerin gehandelte Produkt auch als "Lieferung von Obst und Gemüse in der vom Einzelhandel vorgegebenen Verpackungsform (Mehrwegsteigen)" ansehen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Mehrwegsteigen Teil eines umfassenden Mehrwegsystems seien und die Klägerin – würde sie dauerhaft Eigentum an den Mehrwegsteigen erwerben – auch ein umfassendes logistisches Konzept zur Rückführung, Lagerung und Reinigung der Mehrwegsteigen entwickeln müsste, was jedoch auch angesichts der räumlich weit verzweigten Belieferungsgebiete wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre.

Insofern sei die hier streitige Konstellation eher mit der im BFH-Urteil vom 25.07.2019 (III R 22/16) zur Anmietung von Hotelzimmern und -einrichtungen für Pauschalreisen eines Reiseveranstalters sowie mit der Entscheidung des BFH vom 25.10.2016 (I R 57/15) zu einer Messe-Durchführungsgesellschaft zu vergleichen. Darüber hinaus handele es sich bei den an die Firma H gezahlten Nutzungsentgelten auch nicht um Mietzinsen im Sinne des § 8 Nr. 1d GewStG, da in diesem Fall ein Vertrag eigener Art vorliege. Zwar überlasse H der Klägerin Mehrwegsteigen zum Gebrauch und diese zahle hierfür ein Entgelt. Darin erschöpfe sich jedoch nicht die Hauptpflicht des Vertrages. Vielmehr stelle der Vertragspartner der Klägerin ein umfassendes Mehrweg- und Logistiksystem zur Verfügung, sodass zu den vom Vertragspartner geschuldeten Leistungen im Regelfall auch der Transport der Leersteigen zum Erzeuger und insbesondere die gesamte Rücklogistik gehörten. Der Vertrag enthalte daher auch Elemente von Transport-, Werk- und Dienstvertrag. Diese stellten wesentliche miet- beziehungsweise pachtfremde Elemente dar. Die Leistung seien so eng miteinander verbunden und verschmolzen, dass ein Vertrag eigener Art entstehe; jeweils trennbare Hauptleistungspflichten seien nicht vorhanden. Das Mietvertragselement gebe im Rahmen des Bündels verschiedener vertraglicher Leistungen insoweit dem Vertrag nicht das Gepräge.

Das FG hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen III R 56/20 beim BFH anhängig.

Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.06.2020, 1 K 55/16, nicht rechtskräftig

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