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Gutglaubensschutz: Auch im Verfahren der Steuerfestsetzung?

01.08.2025

Ist es unionsrechtlich zulässig, den guten Glauben des Steuerpflichtigen nicht bereits im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern erst in einem späteren, gesonderten Billigkeitsverfahren zu schützen? Das will der Bundesfinanzhof (BFH) vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen.

Die Klägerin handelt mit Uhren. In ihren Umsatzsteuererklärungen wandte sie auf einen Teil ihrer Umsätze die so genannte Differenzbesteuerung nach § 25a Umsatzsteuergesetz (UStG) an. Dabei wird nicht der gesamte Verkaufspreis der Uhr, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterworfen. Möglich ist das unter anderem, wenn der Vorlieferant, der der Klägerin die Uhr verkauft hat, ebenfalls ein Wiederverkäufer ist. In den Fällen, in denen die Vorlieferanten in ihren Rechnungen an die Klägerin angegeben hatten, dass dies in Bezug auf die gelieferten Uhren der Fall sei, wandte die Klägerin die Differenzbesteuerung an.

Nachdem das Finanzamt festgestellt hatte, dass die Angaben der Vorlieferanten in den Rechnungen teilweise unzutreffend waren, berief sich die Klägerin darauf, dass sie gutgläubig gewesen sei und berechtigterweise auf die Angaben ihrer Vorlieferanten habe vertrauen dürfen.

Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer gleichwohl höher fest, was das Finanzgericht (FG) bestätigte. Es nahm an, nicht prüfen zu müssen, ob die Klägerin tatsächlich gutgläubig gewesen sei: Diese dürfe im Klageverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid (dem so genannten Festsetzungsverfahren) sowieso nicht auf ihren angeblichen guten Glauben berufen. Hierzu müsse ein gesondertes Billigkeitsverfahren (zum Beispiel Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer) durchgeführt werden.

Der BFH hält es für unionsrechtlich zweifelhaft, ob es der Bundesrepublik Deutschland erlaubt ist, den Steuerpflichtigen zum Schutz seines guten Glaubens auf ein weiteres Verfahren (Billigkeitsverfahren) zu verweisen. Möglich sei, dass ihm kein weiteres Verfahren zugemutet werden darf, weil ihm ein solches "hinsichtlich seiner Länge, Komplexität und der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßige Schwierigkeiten" bereitet. Als besonders kritisch sieht der BFH die erhebliche Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer sowie das doppelte Kostenrisiko an, das ein Steuerpflichtiger eingehen muss, wenn er zunächst ein Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung und sodann ein Klageverfahren gegen eine ablehnende Billigkeitsentscheidung anstrengen muss.

Bereits zwei Mal hatte der BFH zuvor in anderen Konstellationen (beim Vorsteuerabzug und beim Direktanspruch) dem EuGH eine ähnliche Frage gestellt. In beiden Fällen musste der EuGH die Frage nicht mehr beantworten, nachdem es aus anderen Gründen nicht mehr darauf ankam. Daher hat der BFH die (aus seiner Sicht weiterhin zweifelhafte) unionsrechtliche Frage nun ein drittes Mal dem EuGH vorgelegt, dieses Mal bei der Differenzbesteuerung.

Die Antwort des EuGH könnte aus Sicht des BFH für das gesamte Umsatzsteuerrecht (und nicht nur für die Differenzbesteuerung) von Bedeutung sein.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.02.2025, XI R 23/24

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