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Geplante Windenergieanlagen: Trotz Lage außerhalb eines Vogelschutzgebiets kann ergänzendes Verfahren erforderlich sein
Kann sich ein Vorhaben außerhalb eines Vogelschutzgebietes nachteilig auf das geschützte Gebiet auswirken, bedarf es einer über eine Vorprüfung hinausgehenden Prüfung der Gebietsverträglichkeit. Die Prüfung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots ist auf den gegenwärtigen Bestand geschützter Tiere beschränkt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.
Eine anerkannte Umweltvereinigung wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von fünf Windenergieanlagen im Landkreis Göttingen, die mit umfangreichen Nebenbestimmungen (unter anderem Abschaltungen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Zeit von März bis August) zum Schutz des Rotmilans und weiterer Greifvögel verbunden ist. Die Windenergieanlagen sollen 1.300 Meter (nord-)östlich eines Vogelschutzgebiets und westlich eines Flora-Fauna-Habitat-Gebiets errichtet werden.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat festgestellt, dass die Genehmigung rechtswidrig und nicht vollziehbar ist und es zur weiteren Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens eines ergänzenden Verfahrens bedarf. Unter anderem hat es das Fehlen einer Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung bemängelt. Zudem sei bei der Prüfung, ob durch das Vorhaben zulasten des Rotmilans das artenschutzrechtliche Tötungsverbot verletzt wird, versäumt worden, auch sehr wahrscheinliche zukünftige Ansiedlungen von Vögeln zu berücksichtigen. Genehmigungserleichterungen im Zuge der EU-Notfall-Verordnung und des Windenergieflächenbedarfsgesetzes kämen dem Vorhaben nicht zugute.
Das BVerwG hat das Erfordernis eines ergänzenden Verfahrens bestätigt, innerhalb dessen die fehlende Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung nachgeholt werden müsse. Zwar erstrecke sich der Natura 2000-Gebietsschutz grundsätzlich nicht auf gebietsexterne Flächen, auch wenn diese von im Gebiet ansässigen Vorkommen geschützter Tierarten genutzt werden. Gleichwohl seien hier erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des OVG nicht offensichtlich ausgeschlossen. Zum einen könnten hiernach bereits Einzelverluste des Rotmilans dessen Erhaltungszustand im Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen. Zum anderen würden die genehmigten Windenergieanlagen wiederkehrend von im Vogelschutzgebiet lebenden Rotmilanen zur Nahrungssuche in Richtung des benachbarten Flora-Fauna-Habitat-Gebiets überquert.
Die behördliche Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot gerecht wird, bemängelte das BVerwG dagegen nicht. Für die Genehmigungserteilung komme es auf die Sachlage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung an. Zukünftige Entwicklungen seien deshalb grundsätzlich nicht maßgeblich. Zur deren Bewältigung bedürfe es gegebenenfalls der Prüfung nachträglicher Anordnungen oder eines (teilweisen) Widerrufs der erteilten Genehmigung.
Genehmigungserleichterungen im Zuge der EU-Notfall-Verordnung und des Windenergieflächenbedarfsgesetzes kommen für das BVerwG nicht in Betracht. Denn: Im Zeitpunkt des Antrags auf die Genehmigungserleichterungen sei das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen und eine endgültige behördliche Entscheidung über die Genehmigungserteilung bereits ergangen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.09.2025, BVerwG 7 C 10.24