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GEMA: Hat in Urheberrechtsstreit mit Open AI die Nase vorn
Das Landgericht (LG) München I hat der GEMA gegen zweiUnternehmen der Unternehmensgruppe Open AI Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftund Schadensersatz zugesprochen und damit einer Klage der VerwertungsgesellschaftGEMA im Wesentlichen stattgegeben.
Soweit die GEMA darüber hinaus Ansprüche aufgrund einerVerletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen fehlerhafterZuschreibung veränderter Liedtexte geltend gemacht hat, blieb die Klage erfolglos.
Das Urteil betrifft die Liedtexte neun bekannter deutscherUrheberinnen und Urheber (darunter "Atemlos" von Kristina Bach oder"Wie schön, dass du geboren bist" von Rolf Zuckowski).
Die GEMA hat die Ansprüche damit begründet, die Liedtexteseien in den Open-AI-Sprachmodellen memorisiert und würden bei Nutzung desChatbots auf einfache Anfragen der Nutzer als Antworten (Outputs) in weitenTeilen originalgetreu ausgegeben.
Die beklagten Unternehmen wandten ein, ihre Sprachmodellespeicherten oder kopierten keine spezifischen Trainingsdaten, sondernreflektierten in ihren Parametern, was sie basierend auf dem gesamtenTrainingsdatensatz erlernt hätten. Da die Outputs nur als Folge von Nutzer-Eingaben(Prompts) generiert würden, seien nicht die Beklagten, sondern der jeweiligeNutzer als Hersteller des Outputs für diese verantwortlich. EventuelleRechtseingriffe seien zudem von den Schranken des Urheberrechts, insbesondereder Schranke für das so genannte Text- und Data-Mining gedeckt.
Das LG meint dagegen, der GEMA stünden die geltend gemachtenAnsprüche sowohl aufgrund der gegebenen Vervielfältigung der Texte in denSprachmodellen als auch durch ihre Wiedergabe in den Outputs zu. Sowohl durchdie Memorisierung in den Sprachmodellen als auch durch die Wiedergabe derLiedtexte in den Outputs des Chatbot lägen Eingriffe in die urheberrechtlichenVerwertungsrechte vor. Diese seien nicht durch Schrankenbestimmungen,insbesondere die Schranke für das Text und Data Mining gedeckt.
Die streitgegenständlichen Liedtexte seien reproduzierbar inden Sprachmodellen der Beklagten enthalten. Aus der informationstechnischenForschung sei bekannt, dass Trainingsdaten in Sprachmodellen enthalten seinkönnen und sich als Outputs extrahieren lassen. Dies werde als Memorisierungbezeichnet. Eine solche liege vor, wenn die Sprachmodelle beim Training demTrainingsdatensatz nicht nur Informationen entnähmen, sondern sich in den nachdem Training spezifizierten Parametern eine vollständige Übernahme derTrainingsdaten finde. Eine solche Memorisierung sei durch einen Abgleich derLiedtexte, die in den Trainingsdaten enthalten waren, mit den Wiedergaben inden Outputs festgestellt. Angesichts der Komplexität und Länge der Liedtexte schließtdas LG den Zufall als Ursache für die Wiedergabe der Liedtexte aus.
Durch die Memorisierung sei eine Verkörperung alsVoraussetzung der urheberrechtlichen Vervielfältigung derstreitgegenständlichen Liedtexte durch Daten in den spezifizierten Parameterndes Modells gegeben. Die streitgegenständlichen Liedtexte seien reproduzierbarin den Modellen festgelegt. Gemäß Artikel 2 InfoSoc-RL (= Information SocietyDirective) liege eine Vervielfältigung "auf jede Art und Weise und injeder Form" vor. Die Festlegung in bloßen Wahrscheinlichkeitswerten seihierbei unerheblich. Neue Technologien wie Sprachmodelle seien vomVervielfältigungsrecht nach Artikel 2 InfoSoc-RL und § 16 Urhebergesetz (UrhG)erfasst. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs reiche für dieVervielfältigung eine mittelbare Wahrnehmbarkeit aus, die gegeben sei, wenn dasWerk unter Einsatz technischer Hilfsmittel wahrgenommen werden könne.
Diese Vervielfältigung in den Modellen sei weder durch dieSchrankenbestimmungen des Text und Data Mining des § 44b UrhG noch durch § 57UrhG als unwesentliches Beiwerk gedeckt, so das LG München I weiter.
Zwar unterfielen Sprachmodelle grundsätzlich demAnwendungsbereich der Text und Data Mining Schranken. Die Vorschriften decktenerforderliche Vervielfältigungen beim Zusammenstellen des Datenkorpus für dasTraining, wie etwa die Vervielfältigung eines Werks durch seine Überführung inein anderes (digitales) Format oder Speicherungen im Arbeitsspeicher.Hintergrund hierfür sei der Gedanke, dass diese Vervielfältigungen lediglich zunachfolgenden Analysezwecken erstellt würden und damit die Verwertungsinteressendes Urhebers am Werk nicht beeinträchtigten. Da diese für das Text und DataMining rein vorbereitenden Handlungen kein Verwertungsinteresse berührten, sehedas Gesetz keine Vergütungspflicht gegenüber dem Urheber vor.
Würden beim Training – wie hier – nicht nur Informationenaus Trainingsdaten extrahiert, sondern Werke vervielfältigt, stellt das nachAnsicht des LG kein Text und Data Mining dar. Die Prämisse des Text und DataMining und der diesbezüglichen Schrankenbestimmungen, dass durch dieautomatisierte Auswertung von bloßen Informationen selbst keineVerwertungsinteressen berührt sind, greife in dieser Konstellation nicht. ImGegenteil, durch die gegebenen Vervielfältigungen im Modell werde in dasVerwertungsrecht der Rechteinhaber eingegriffen.
Eine andere, mutmaßlich technik- und innovationsfreundlicheAuslegung, die ebenfalls Vervielfältigungen im Modell von der Schranke alsgedeckt ansehen wollte, verbietet sich laut LG angesichts des klaren Wortlautsder Bestimmung. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht. Selbstwenn man eine planwidrige Regelungslücke annehmen wollte, weil dem Gesetzgeberdie Memorisierung und eine damit einhergehende dauerhafte urheberrechtlichrelevante Vervielfältigung in den Modellen nicht bewusst gewesen sein sollte,mangele es an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Schrankenregelungnormiere mit der Zulässigkeit vorbereitender Vervielfältigungshandlungen beimText und Data Mining einen Sachverhalt, bei dem die Verwertungsinteressen derUrheber nicht gefährdet seien, weil bloße Informationen extrahiert und das Werkals solches gerade nicht vervielfältigt werde. Bei Vervielfältigungen im Modellwerde die Werkverwertung hingegen nachhaltig beeinträchtigt und dieberechtigten Interessen der Rechteinhaber hierdurch verletzt. Die Urheber undRechteinhaber würden durch eine analoge Anwendung der Schrankenbestimmung, diekeine Vergütung für die Verwertung vorsieht, somit schutzlos gestellt. DasRisiko der Memorisierung stamme allein aus der Sphäre der Beklagten. Bei einerAnalogie der Schranke würde ausschließlich der verletzte Rechteinhaber diesesRisiko tragen.
Mangels Vorliegens eines Hauptwerks stellten dieVervielfältigungen der streitgegenständlichen Liedtexte kein unzulässigesBeiwerk nach § 57 UrhG dar, so das LG weiter. Entgegen der Ansicht derBeklagten seien sie nicht neben dem gesamten Trainingsdatensatz alsnebensächlich und verzichtbar anzusehen. Hierfür wäre erforderlich, dass essich bei dem gesamten Trainigsdatensatz ebenfalls um ein urheberrechtlichgeschütztes Werk handele.
Der Eingriff der Beklagten in die Verwertungsrechte der GEMAsei auch nicht durch eine Einwilligung der Rechteinhaber gerechtfertigt, da dasTraining von Modellen nicht als eine übliche und erwartbare Nutzungsart zuwerten sei, mit der der Rechteinhaber rechnen müsse.
Auch durch Wiedergabe der Liedtexte in den Outputs desChatbots hätten die Beklagten unberechtigt die streitgegenständlichen Liedtextevervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht. In den Outputs wären dieoriginellen Elemente der Liedtexte stets wiedererkennbar.
Hierfür seien die Beklagten und nicht die Nutzerverantwortlich. Die Outputs seien durch einfach gehaltene Prompts generiertworden. Die Beklagten betrieben die Sprachmodelle, für die die Liedtexte alsTrainingsdaten ausgewählt und mit denen sie trainiert worden sind. Sie seienfür die Architektur der Modelle und die Memorisierung der Trainingsdatenverantwortlich. Damit hätten die von ihnen betriebenen Sprachmodelle dieausgegebenen Outputs maßgeblich beeinflusst, der konkrete Inhalt der Outputswerde von den Sprachmodellen generiert.
Der Eingriff in die Verwertungsrechte durch die Outputs istlaut LG München I ebenfalls nicht durch eine Schrankenbestimmung gedeckt.
Landgericht München I, Urteil vom 11.11.2025, 42 O 14139/24,nicht rechtskräftig