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Facebook: Löschung von Beiträgen und Kontosperrungen erfordert Information der Betroffenen

02.08.2021

Die Geschäftsbedingungen von Facebook vom 19.04.2018 zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Kontensperrung sind bei Verstößen gegen die dort festgelegten Kommunikationsstandards unwirksam. Dies gilt laut Bundesgerichtshof (BGH) jedenfalls, weil sich Facebook nicht gleichzeitig dazu verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen.

Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto bei Facebook. Sie nehmen Facebook Deutschland insbesondere auf Freischaltung der von ihnen in dem Netzwerk veröffentlichten und von Facebook gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Sperre ihrer Nutzerkonten und Löschung ihrer Beiträge in Anspruch.

Nach den Nutzungsbedingungen des Netzwerks in der seit dem 19.04.2018 geltenden Fassung darf nicht gegen die "Gemeinschaftsstandards" verstoßen werden. Diese verbieten eine – dort näher definierte – "Hassrede". Beiträge der beiden Kläger wurden von Facebook unter Bezugnahme auf dieses Verbot gelöscht. Außerdem sperrte Facebook vorübergehend die Nutzerkonten der Kläger, sodass diese nichts posten, nichts kommentieren und auch die Messenger-Funktion nicht nutzen konnten. Mit ihren Klagen machen die Kläger geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Beiträge zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren.

Der BGH hat entschieden, Facebook sei aufgrund seiner Nutzungsbestimmungen und Gemeinschaftsstandards nicht zur Löschung der Beiträge der Kläger und Sperrung ihrer Nutzerkonten berechtigt gewesen. Zwar seien die geänderten Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 19.04.2018 wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien dadurch einbezogen worden, dass die Kläger auf die ihnen in Form eines Pop-up-Fensters zugegangene Mitteilung Facebooks über die beabsichtigte Änderung die entsprechende, mit "Ich stimme zu" bezeichnete Schaltfläche anklickten. Die in den geänderten Nutzungsbedingungen eingeräumten Vorbehalte betreffend die Entfernung von Nutzerbeiträgen und die Sperrung von Nutzerkonten seien jedoch gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, weil dadurch die Nutzer des Netzwerks entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden.

Bei der Prüfung, ob die Klausel unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB ist, seien die kollidierenden Grundrechte der Parteien – auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit, auf Seiten der Beklagten vor allem die Berufsausübungsfreiheit – zu erfassen und so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

Diese Abwägung ergebe, dass Facebook grundsätzlich berechtigt ist, seinen Nutzern die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Das Netzwerk dürfe sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB sei aber erforderlich, dass sich Facebook in seinen Geschäftsbedingungen verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt.

Diesen Anforderungen würden die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Geschäftsbedingungen nicht gerecht. Facebook sei daher nicht berechtigt, die Beiträge der Kläger zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren. Es müsse die Beiträge wiederherstellen und hat eine Sperrung der Nutzerkonten und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu unterlassen.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 29.07.2021, III ZR 179/20 und III ZR 192/20

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