DSi Impuls Nr. 54: Aufweichung der Schuldenregeln zulasten der Generationengerechtigkeit
Die Bundesbank hatte bereits im März dieses Jahres einen Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse vorgelegt. Dies noch vor dem großen Schuldenpaket der aktuellen Bundesregierung. Vor dem Hintergrund des neuen Status quo unterbreitet die Bundesbank nun einen aktualisierten Vorschlag.
DSi-Diagnose
Im Gegensatz zu ihrem März-Vorschlag würde das neue Modell Bund und Ländern sogar noch einmal größere Schuldenspielräume gewähren. Was sieht es vor?
Ausgangspunkt sind drei Phasen. In der ersten Phase bis 2029 würde der Status quo der aktuellen Schuldenregel weitergeführt. Die „Übergangsphase“ ab 2030 sieht einen sukzessiven Abbau der Bereichsausnahme durch eine Anhebung der Untergrenze um 0,5 %-Punkte p. a. bis zu ihrem vollständigen Auslaufen im Jahr 2035 vor. In der letzten Phase, der „Zielzone“ ab 2036, kommt das eigentliche Schuldenbremsenmodell der Bundesbank zum Tragen.
Es sieht zum einen eine „Investitionskomponente“ i. H. v. 0,8 % des BIP für „zusätzliche Sachinvestitionen“ vor. Zum anderen eine schuldenquotenabhängige Komponente von je 0,35 % des BIP für Bund und Länder im Falle einer Staatsschuldenquote unter 60 % bzw. 0,1 % des BIP, solange die Staatsschuldenquote über 60 % liegt. Zudem soll nach Vorstellung der Bundesbank die Tilgungspflicht für Notlagenkredite fallengelassen werden. Insgesamt würde die 60-%-Grenze im Jahr 2055 wieder erreicht und anschließend eine Konvergenz um diese Quote gewährleistet sein.
Allerdings liegen dem gesamten Modell sehr optimistische Annahmen zugrunde. So geht die Bundesbank in den 30 Jahren ihrer Projektion davon aus, dass in dieser Zeit keine einzige Notlage eintritt. Schon ein Blick auf die vergangenen 30 Jahre zeigt, wie unrealistisch diese Annahme ist. Zudem wird ein konstantes nominales Wirtschaftswachstum von 2,6 % angenommen. Insofern ist sehr fraglich, ob die Staatsschuldenquote tatsächlich so sinken würde, wie es der Vorschlag unterstellt. Zudem bekennt sich die Bundesbank zwar zum 60-%-Ziel. Ihr Vorschlag sieht aber keinen notwendigen Sicherheitsabstand zu diesem Grenzwert vor, um in Notlagen die gebotene fiskalische Reaktionsfähigkeit sicherzustellen.
Schließlich ignoriert die Bundesbank durch den Wegfall der Tilgungspflichten nicht nur gewichtige politökonomische Argumente für dieses Instrument. Sie verkennt auch die Notwendigkeit, den nominalen Schuldenberg abzutragen, um die aus den laufenden Einnahmen zu bewältigenden Zinsausgaben nicht weiter ansteigen zu lassen.
DSi-Forderung
Das klare Bekenntnis zur 60-%-Grenze im Vorschlag ist begrüßenswert, das schrittweise Auslaufen der Bereichsausnahme notwendig. Dass die Bundesbank jedoch gegenüber ihrem März-Vorschlag noch einmal größere Verschuldungsmöglichkeiten aufsattelt und einen Weg in den dauerhaften Schuldenstaat ohne Berücksichtigung von möglichen Worst-Case-Szenarien ebnet, ist überraschend. Jene, die Wert auf tragfähige Staatsfinanzen und Generationengerechtigkeit legen, sollten den Bundesbank-Vorschlag zur Reform der Schuldenregel daher schleunigst ad acta legen.
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