Stuttgart 21: Land Baden-Württemberg und seine Partner müssen keinen Beitrag zu "weiteren Mehrkosten" leisten
Doppelte Haushaltsführung: Kosten der Lebensführung bei einem Ein-Personen-Haushalt
Werbeblocker: Verfahren zu urheberrechtlicher Zulässigkeit geht in nächste Runde
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über urheberrechtliche Ansprüche wegen des Vertriebs eines Werbeblockers entschieden. Er hat die Sache zur Nachholung weiterer Feststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Geklagt hatte ein Verlagshaus, das Pächter mehrerer Online-Portale ist. Die Beklagte zu 1 vertreibt ein Plug-in für Webbrowser, das der Unterdrückung von Werbeanzeigen auf Webseiten dient. Die übrigen Beklagten waren ihre Geschäftsführer.
Bei Aufruf der Webseiten der Online-Portale des Verlags durch Eingabe der entsprechenden Internet-Adresse in einen Internet-Browser fordert der Browser vom Server des Verlags die HTML-Datei an und speichert sie im Arbeitsspeicher auf dem Endgerät des Nutzers. Zur Anzeige des HTML-Dokuments interpretiert der Browser den Inhalt des HTML-Dokuments mittels einer Parsing-Engine. Das Ergebnis der Interpretation ist eine Objektstruktur, ein so genannter DOM-Knotenbaum. Zur Formatierung der Webseite baut eine CSS-Engine so genannte CSS-Strukturen ("CSSOM") auf. Die DOM- und CSS-Strukturen werden mittels einer Render-Engine in einer Rendering-Baumstruktur zusammengeführt. Der Werbeblocker der Beklagten nimmt Einfluss auf diese vom Browser erzeugten Datenstrukturen und sorgt dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzers erscheinen.
Das Verlagshaus meint, bei der Programmierung ihrer Webseiten handele es sich aufgrund der darin enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme im Sinne des § 69a Absatz1 Urhebergesetz (UrhG), an denen ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Der DOM-Knotenbaum und die CSS-Strukturen mit den darin enthaltenen Handlungsanweisungen seien Ausdrucksformen dieser Programmierung und nähmen an deren urheberrechtlichem Schutz teil. Die bei der Verwendung des Werbeblockers erfolgenden Vervielfältigungen im Sinne des § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG seien unberechtigt. Der Werbeblocker führe außerdem zu unbefugten Umarbeitungen im Sinne des § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG. Der Verlag hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nur insoweit zugelassen, als die Klägerin ihre Ansprüche auf eine von ihr behauptete – der ersten unveränderten Vervielfältigung im Arbeitsspeicher nachfolgende – abändernde Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms gestützt hat. Die Klägerin hat ihre Ansprüche allerdings in vollem Umfang weiterverfolgt.
Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, soweit es die Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen der behaupteten abändernden Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 1 und 2 UrhG betrifft. Die weitergehende Revision des Verlags hat der BGH als unzulässig verworfen.
Die Annahme des Berufungsgerichts, durch eine Nutzung des Werbeblockers der Beklagten werde das ausschließliche Recht zur Umarbeitung eines Computerprogramms gemäß § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG nicht verletzt, halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen könne ein Eingriff in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach § 69a Absatz1 und 2 Satz 1 UrhG und damit eine Verletzung des Rechts zur Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG und Vervielfältigung im Sinne von § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG nicht verneint werden, meint der BGH.
Dem Berufungsurteil lasse sich nicht eindeutig entnehmen, von welchem Schutzgegenstand und von welchen für die Frage des Eingriffs maßgeblichen schutzbegründenden Merkmalen dieses Schutzgegenstands das Berufungsgericht ausgegangen ist. Das Berufungsurteil lasse überdies nicht erkennen, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Verlags zu den Besonderheiten eines Browsers hinreichend berücksichtigt hat, wonach virtuelle Maschinen wie ein Browser und die in ihm enthaltenen Engines nicht durch einen Objektcode gesteuert würden, sondern durch einen Bytecode, durch den die virtuellen Maschinen einen Objektcode erstellten. Für den BGH kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bytecode oder der von ihm geschaffene Code als Computerprogramm geschützt ist und der Werbeblocker im Wege der Umarbeitung oder abändernden Vervielfältigung in das daran bestehende ausschließliche Recht eingegriffen hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.07.2025, I ZR 131/23 – Werbeblocker IV