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Rechtsschutzversicherung: Rückforderung von Vorschüssen trotz Vergütungsfestsetzung möglich
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Gerichts bindet grundsätzlich nur den Mandanten, nicht aber die Rechtsschutzversicherung. Auf ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) weist die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hin.
Ein Rechtsschutzversicherer sei nicht durch einen rechtskräftigen Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 11 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) gebunden, wenn der Rechtsanwalt den Antrag auf Festsetzung erst nach Kenntnis des Forderungsübergangs gestellt hat, so der BGH. Demnach könne die Versicherung auch danach noch die Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten Vorschusses verlangen (Urteil vom 12.06.2025, IX ZR 163/24).
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Rechtsschutzversicherer einer Anwaltskanzlei laut BRAK einen Vorschuss auf eine erwartete Terminsgebühr gezahlt. Zu einem Verhandlungstermin kam es jedoch nicht, weil das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zurückwies. Der Versicherer forderte daraufhin die Rückzahlung der bevorschussten Terminsgebühr.
Die Kanzlei beantragte dennoch die gerichtliche Festsetzung ihrer Vergütung nach § 11 RVG inklusive Terminsgebühr. Sie begründete dies unter anderem mit einem Telefonat, das die sachbearbeitende Anwältin mit dem gegnerischen Rechtsanwalt geführt habe, bei dem ein möglicher Vergleich thematisiert worden sei. Das zuständige LG setzte die Vergütung entsprechend fest. An diesem Verfahren war der Rechtsschutzversicherer nicht beteiligt. Während das Amtsgericht der Rückforderungsklage des Versicherers stattgab, wies das LG Köln diese ab. Zur Begründung verwies es auf die Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses gemäß § 11 RVG, die eine Bindungswirkung auch für den Versicherer entfalte.
Der BGH hob das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Die Kanzlei könne nicht auf den Festsetzungsbeschluss berufen, um den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch abzuwehren.
Wie die BRAK ausführt, stellte der BGH zunächst fest, dass ein Rechtsanwalt verpflichtet sei, einen Vorschuss insoweit zurückzuzahlen, als dieser die tatsächlich angefallene Vergütung übersteige. Im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandats gehe der Rückforderungsanspruch des Mandanten auf den Rechtsschutzversicherer über (§ 86 Absatz 1 Satz 1 VVG).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG, die die Anwaltsgesellschaft gegen den ursprünglichen Mandanten erwirkt habe, keine Bindungswirkung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer entfalten. Der BGH habe darauf verwiesen, dass rechtskräftige Entscheidungen grundsätzlich nur zwischen den am Verfahren beteiligten Parteien wirkten. Der Versicherer sei an dem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nicht beteiligt gewesen.
Auch eine Rechtskrafterstreckung nach § 325 Absatz 1 ZPO scheide aus. Darin stehe: "Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien […] die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind […]." Etwaige Ansprüche des Versicherungsnehmers seien hier aber bereits mit der Zahlung des Vorschusses auf die Klägerin übergegangen. Der Anspruchsübergang sei somit vor der Rechtshängigkeit des Verfahrens auf Festsetzung der Vergütung nach § 11 RVG erfolgt.
Eine Erstreckung der Rechtskraftwirkung komme auch nicht nach §§ 407 Absatz 2, 412 Bürgerliches Gesetzbuch in Betracht. Diese Vorschriften besagten: "Ist in einem nach [gesetzlichem Forderungsübergang] anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner [den Forderungsübergang] bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat." Im vorliegenden Fall habe die Anwaltsgesellschaft jedoch gewusst, dass etwaige Rückzahlungsansprüche auf den Versicherer übergegangen waren, da dieser zuvor bereits die Rückforderung geltend gemacht hatte.
Auch eine analoge Anwendung des § 407 Absatz 2 BGB lehnte der BGH nach Angaben der BRAK ab. Der Zweck dieser Regelung liege darin, den Schuldner vor nachteiligen Folgen eines für ihn nicht erkennbaren Gläubigerwechsels zu schützen. Eine Erweiterung dieses Schutzes auf Fälle, in denen der Schuldner – hier die Anwaltsgesellschaft – den Forderungsübergang kannte, sei mit dem gesetzgeberischen Konzept unvereinbar. Es sei bewusst nur der gutgläubigen Schuldner geschützt worden. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine Analogie rechtfertigen könnte, sei daher nicht erkennbar.
Selbst wenn der Anwaltsgesellschaft das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG gegenüber dem Rechtsschutzversicherer nicht zur Verfügung stehen sollte, könne dies nicht zu einer fiktiven Gutgläubigkeit führen. Vielmehr müsse sich der Rechtsanwalt in solchen Fällen mit dem neuen Gläubiger – hier dem Versicherer – auseinandersetzen. Er müsse hier entweder warten, ob der Rechtsschutzversicherer die behaupteten Ansprüche geltend macht. Alternativ könne er gegen den Rechtsschutzversicherer eine negative Feststellungsklage erheben.
Das LG Köln müsse nun die entscheidenden Fragen zur Rückforderung des Vorschusses nach den Maßgaben des BGH klären, so die BRAK abschließend.
Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 22.07.2025 zu Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2025, IX ZR 163/24