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Personalmangel in Kanzlei: Rechtfertigt keine Fristversäumnis
Hat eine Anwaltskanzlei zu wenig Bürokräfte, muss sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um einer Überlastung ihrer Mitarbeiter entgegenzuwirken. Die Versäumung einer Frist ist für das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main im Fall von Personalmangel kein Grund für eine Wiedereinsetzung.
Die Mandantschaft einer Rechtsanwältin war zu Schadensersatz von knapp 30.000 Euro verurteilt worden. Die Anwältin legte dagegen Berufung ein, begründete diese jedoch nicht fristgerecht. Sodann beantragte sie bei Gericht Wiedereinsetzung in die versäumte Frist: Diese sei infolge eines Fehlers "der verbliebenen Büroangestellten" nicht in den Fristenkalender eingetragen worden sei. Eine "personelle Ausdünnung" bei den Kanzleimitarbeitern habe zu dem einmaligen Eingabefehler der verbliebenen Mitarbeiterin geführt.
Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Es liege keine unverschuldete Fristsäumnis vor. Dem Vortrag der Rechtsanwältin könne nicht entnommen werden, dass die Fristsäumnis nicht auf organisatorischen Mängeln der Fristenkontrolle beruhe. Die von der Anwältin dargelegte drastische Reduzierung des Personals infolge Erkrankung einer Mitarbeiterin und Ausscheiden eines weiteren Mitarbeiters habe zwar die Gefahr der Überlastung der verbliebenen Mitarbeiterin bergen können. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass diese – auf einem Organisationsverschulden beruhende – Überlastung die Ursache für den festgestellten Fehler gewesen sei.
Die Sorgfaltspflichten einer Rechtsanwältin seien erhöht, wenn Störungen in der Organisation des Berufsalltags aufträten, die dazu führen könnten, dass die zulässig delegierten Pflichten der Anwältin nicht erfüllt werden. Sie müsse stets sicherstellen, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllten, wenn die Belegschaft durch Krankheit und Ausscheiden einer Mitarbeiterin reduziert sei. Dazu gehöre, einer eventuellen Überlastung entgegenzuwirken, die dadurch entstehe, dass dem verbliebenen Personal zu viele Aufgaben übertragen würden.
Auf welche Weise eine Anwältin die Belastung des verbliebenen Personals in zumutbaren Grenzen halte, bleibe ihr überlassen. Sei etwa eine Kompensation durch den Einsatz weiterer zuverlässiger Kräfte nicht möglich, könne der Gefahr von Fehlverhalten zum Beispiel durch eine verstärkte Kontrolle entgegengewirkt werden. Im Einzelfall könne es auch notwendig werden, dass die Anwältin die delegierten Aufgaben, wie zum Beispiel die Fristenkontrolle, wieder an sich ziehe.
Hier sei nicht erkennbar, dass die Prozessbevollmächtigte geeignete Maßnahmen getroffen habe, um trotz des personellen Engstandes eine ausreichende Fristenkontrolle zu gewährleisten.
Der Organisationsmangel sei auch für die Fristversäumnis ursächlich gewesen, so das OLG. Sofern nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergriffen wurden, gehe es zulasten der Anwältin, wenn nicht festgestellt werden könne, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 01.09.2025, 3 U 69/25, unanfechtbar