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Nicht autorisierter Zahlungsvorgang: Zahlungsdienstleister unverzüglich zu unterrichten
Der Nutzer einer Zahlungskarte verliert den Anspruch auf Erstattung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs, von dem er Kenntnis hat, wenn er die Unterrichtung seines Zahlungsdienstleisters vorsätzlich oder grob fahrlässig verzögert. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) gilt das auch für den Fall, dass diese Unterrichtung innerhalb von 13 Monaten nach dem Tag der Belastung erfolgt ist.
Ein Verbraucher hält ein Goldeinlagenkonto bei der Gesellschaft Veracash SAS. Im März 2017 sandte Veracash ihm eine neue Karte für Abhebungen und Zahlungen zu. Im Zeitraum von März bis Mai 2017 wurden von dem Konto täglich Abhebungen vorgenommen. Der betroffene Verbraucher macht geltend, weder die Zahlungskarte erhalten noch die Abhebungen autorisiert zu haben.
Zwei französische Gerichte wiesen den Erstattungsantrag des Verbrauchers in erster und zweiter Instanz mit der Begründung zurück, er habe Veracash von den streitigen Abhebungen nicht "unverzüglich" gemäß dem französischen Währungs- und Finanzgesetzbuch, mit dem die Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt umgesetzt wurde, unterrichtet. Dies sei erst im Mai 2017 geschehen, also fast zwei Monate nach der ersten beanstandeten Abhebung. Die Unterrichtung sei allerdings innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist von 13 Monaten erfolgt.
Der Verbraucher legte Kassationsbeschwerde ein. Vor diesem Hintergrund hat sich der französische Kassationsgerichtshof an den EuGH gewandt. Er möchte wissen, ob die Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass der Zahler den Anspruch auf Erstattung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs bei dessen verspäteter Anzeige auch dann verlieren kann, wenn die Anzeige innerhalb der Frist von 13 Monaten erfolgt ist. Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, möchte der Kassationsgerichtshof wissen, ob der Verlust des Anspruchs ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Zahlers voraussetzt und ob er sich auf alle nicht autorisierten Zahlungsvorgänge oder nur auf solche bezieht, die hätten vermieden werden können.
Der EuGH antwortet erstens, dass der Zahlungsdienstnutzer den Anspruch auf Erstattung grundsätzlich verliert, wenn er nach Feststellung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs seinen Zahlungsdienstleister nicht unverzüglich unterrichtet hat, auch wenn diese Unterrichtung innerhalb von 13 Monaten nach dem Tag der Belastung erfolgt ist. Er stellt klar, dass die "so bald wie möglich" zu erfüllende Informationspflicht einen eigenständigen Charakter hat und sich von der Pflicht zur Unterrichtung innerhalb von 13 Monaten nach dem Tag der Belastung mit einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang unterscheidet. Die objektive Frist von 13 Monaten ändere naturgemäß nichts an der Relevanz der subjektiven Frist der "unverzüglichen" Unterrichtung.
Insoweit könnte die bloße Einhaltung der Frist von 13 Monaten als einziges Kriterium das präventive Ziel der Pflicht zur "unverzüglichen" Anzeige nach Feststellung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs gefährden. Außerdem würde es aus Sicht des EuGH die Rechtssicherheit und die vom Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2007/64 vorgenommene Abwägung der Interessen des Zahlungsdienstnutzers gegen diejenigen des Zahlungsdienstleisters beeinträchtigen, ginge man davon aus, dass der Zahlungsdienstnutzer einen Anspruch auf Korrektur eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat, von dem er Kenntnis hatte, aber seinen Zahlungsdienstleister verspätet unterrichtet hat.
Zweitens gibt der EuGH jedoch näher an, dass im Fall eines Zahlungsinstruments wie einer Bankkarte, das verloren, gestohlen, missbräuchlich verwendet oder sonst unautorisiert genutzt wurde, der Zahler seinen Anspruch auf Erstattung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs grundsätzlich nur dann verliert, wenn er die Unterrichtung des Zahlungsdienstleisters vorsätzlich oder grob fahrlässig – in Form einer qualifizierten Verletzung einer Sorgfaltspflicht – verzögert hat, es sei denn, er habe in betrügerischer Absicht gehandelt. Die Beweislast obliege dem Zahlungsdienstleister, der beweisen müsse, dass ein Vorgang authentifiziert, ordnungsgemäß aufgezeichnet und verbucht war. Dies wahre die praktische Wirksamkeit der Richtlinie. Diese sehe vor, dass der Zahler nach der Anzeige keine finanziellen Folgen aus der Nutzung des verlorenen, gestohlenen oder missbräuchlich verwendeten Zahlungsinstruments trägt. Der Zahler habe daher kein Interesse daran, die von ihm vorzunehmende Anzeige zu verzögern.
Drittens antwortet der EuGH, dass, wenn mehrere nicht autorisierte Zahlungsvorgänge infolge der Nutzung eines verlorenen, gestohlenen, missbräuchlich verwendeten oder sonst unautorisiert genutzten Zahlungsinstruments aufeinanderfolgen, der Zahler grundsätzlich nur den Anspruch auf Erstattung der Schäden verliert, die durch die Zahlungsvorgänge entstanden sind, bei denen er die Unterrichtung seines Zahlungsdienstleisters vorsätzlich oder grob fahrlässig verzögert hat. Nach Ansicht des EuGH ist die Vorschrift über die Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge eine Ausnahme. Sie sei daher eng auszulegen. Schließlich stehe das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Zahlers und den Schäden, für die er keine Erstattung erwirken kann, mit der Abwägung zwischen den Interessen der Zahlungsdienstnutzer und denen der Zahlungsdienstleister in Einklang.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 01.08.2025, C-665/23