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Kartellverstöße: Einschränkung von Gerichtsstandsvereinbarungen
Der Anwendungsvorrang des deutschen Kartellrechts vor dem Recht anderer Staaten soll auch die fehlerfreie Beurteilung eines Rechtsstreits durch die Instanzen sichern. Für auf Kartellverbote gestützte Klagen kann nicht mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit deutscher Gerichte entzogen und auf Einrichtungen von Nicht-EU-Staaten übertragen werden. Das stellt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main klar. Im zugrunde liegenden Fall bestätigte es die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts (LG) Frankfurt am Main.
Die Beklagten betreiben das VISA-Kartensystem. Die Klägerinnen sind Sparkassen. Die in Großbritannien und Nordirland ansässige Beklagte zu 1) untersagte es den Klägerinnen in ihren Bedingungen, von Inhabern von Zahlungskarten der Marken "VISA« und V Pay", die von anderen Kreditinstituten ausgestellt wurden, für Bargeldabhebungen an Geldautomaten der Klägerinnen Entgelte zu verlangen.
Nach den zwischen den Parteien 2015 jeweils geschlossenen Mitgliedschaftsvereinbarungen ("Membership Deed") unterliegen die Rechtsbeziehungen englischem Recht. Zuständig sind "ausschließlich die Gerichte in England". Die in den USA ansässige Beklagte zu 2) erwarb 2016 alle Anteile an der Beklagten zu 1). Gemäß der Mitgliedschaftsvereinbarung endete diese mit dem Erwerb der Beklagten zu 2).
Die hiesigen 13 Klägerinnen haben vor dem LG Frankfurt am Main Klage eingereicht. Sie halten das Verbot der Beklagten, Entgelte verlangen zu dürfen, für kartellrechtswidrig. Das LG hat mit Zwischenurteil seine internationale Zuständigkeit bejaht. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg: Zu Recht sei das LG von seiner internationalen Zuständigkeit ausgegangen. Die in den Mitgliedschaftsvereinbarungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung stehe der Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht entgegen.
Die Gerichtsstandsvereinbarung sei zwar anfänglich wirksam vereinbart worden. Sie erfasse aber keine Schadensersatzansprüche ab Erwerb der Beklagten zu 1) durch die Beklagte zu 2). Die maßgebliche Regelung sei damit vielmehr außer Kraft getreten. Es sei auch keine neue Gerichtsstandsvereinbarung für die Folgezeit geschlossen worden. Diese hätte weiterhin nach Unionsrecht der Schriftform bedurft. Entsprechender Vortrag der Beklagten hierfür fehle.
Selbst wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Folgezeit bestehen würde, erfasse diese nicht die streitgegenständlichen kartellrechtlichen Ansprüche, betont das OLG. Lege man die streitgegenständliche Regelung nach autonomen Unionsrecht aus, erstrecke sie sich nicht auf die hier streitigen kartellrechtlichen Ansprüche. Eine Gesamtschau der maßgeblichen Unionsregelungen und der im deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) niedergelegten Regelungen zum Zweck der Kartellverbote ergebe, dass nach deutschem Recht deutsche Gerichte ausschließlich international für die vorliegende Klage zuständig seien.
Die Kartellverbote im GWB (§§ 19-21) gehören laut OLG gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung "zu den elementaren Grundlagen der Rechtsordnung und den grundlegenden Normen des Kartellrechts". Keine Rechtsordnung könne es hinnehmen, "dass den staatlichen Einrichtungen, die die Einhaltung dieser Bestimmungen gewährleisten sollen, durch die Akteure – und damit unter Mitwirkung der potentiellen Deliktstäter – die Zuständigkeit entzogen und stattdessen den Einrichtungen fremder Staaten übertragen wird", vertiefte das Gericht.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.04.2025, 11 U 68/23 (Kart), nicht rechtskräftig