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Besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde zur Nutzungspflicht

21.07.2025

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat finanzgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) zum Gegenstand haben.

Im Ausgangsverfahren hat das Finanzgericht (FG) die im Januar 2023 von einer Steuerberaterin im Namen des Beschwerdeführers erhobene Klage als unzulässig abgewiesen, weil diese nicht fristgerecht in der seit dem 01.01.2023 vorgeschriebenen elektronischen Form eingereicht worden sei. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist hat es abgelehnt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde mit Erfolg gegen diese Entscheidungen. Soweit das FG ein der Wiedereinsetzung in die Klagefrist entgegenstehendes Verschulden angenommen hat, lasse es unter anderem unerörtert, dass zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich und daher auch nicht erfolgt war und dass die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) die bestehende Möglichkeit eines so genannten Fast Lane-Verfahrens bis Ende Januar 2023 stets als "freiwillig" deklariert hatte. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde verletze das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers.

Das BVerfG hat die Entscheidungen daher aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

Durch Neuregelungen im Steuerberatungsgesetz ist die BStBK verpflichtet, für jeden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ein beSt als Instrument der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten empfangsbereit einzurichten. Die Regelungen über das beSt waren erstmals nach Ablauf des 31.12.2022 anzuwenden. Im Herbst 2022 gab die BStBK bekannt, dass es ihr nicht möglich sei, die Steuerberater bereits zum 01.01.2023 mit einem beSt-Zugang auszustatten; der Versand der Briefe mit dem Registrierungscode beginne erst im Januar 2023. Gleichzeitig stellte die BStBK eine Möglichkeit zur vorzeitigen Beantragung eines Registrierungsbriefs bereit (so genannte Fast Lane).

Der Beschwerdeführer hat im Januar 2023 – innerhalb der laufenden Klagefrist – vertreten durch seine Steuerberaterin auf dem Postweg Klage erhoben. In einem der Klageschrift beigefügten Anschreiben hat die bevollmächtigte Steuerberaterin ausgeführt, ihr sei eine elektronische Einreichung der Klage über das beSt aufgrund des noch fehlenden Registrierungsbriefs nicht möglich.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Unter Verweis auf einen Beschluss des BFH vom 28.04.2023 hat es ausgeführt, die höchstrichterliche Rechtsprechung vertrete die Auffassung, dass Steuerberater ab dem 01.01.2023 zur aktiven Nutzung des beSt verpflichtet seien. Die beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist sei nicht zu gewähren. Die bevollmächtigte Steuerberaterin hätte die Möglichkeit gehabt, über die "Fast Lane" eine vorgezogene Versendung des Registrierungsbriefs innerhalb weniger Tage zu erwirken. Ihr habe auch klar sein müssen und ihr sei es ausweislich ihres Anschreibens zur Klageschrift auch klar gewesen, dass sie ab dem 01.01.2023 nur noch in elektronischer Form werde Klage erheben könne. Der BFH hat die von dem Beschwerdeführer eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 19 Absatz 4 GG.

Das BVerfG stellt zunächst klar, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig ist. Sie entspreche insbesondere den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes. Die Informationslage zum Zeitpunkt der Klageerhebung habe die Stellung eines – bis dahin explizit als freiwillig bezeichneten – "Fast Lane"-Antrags unter Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht nahegelegt.

Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Das klageabweisende Urteil verletze das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Absatz 4 GG). Das FG habe die Gewährung einer Wiedereinsetzung unzumutbar erschwert und die hieran zu stellenden Anforderungen überspannt.

Soweit es aus dem der Klageschrift beigefügten Anschreiben folgert, der Prozessbevollmächtigten sei ihre Pflicht zur Nutzung des beSt positiv bekannt gewesen, messe es den dortigen Ausführungen einen Sinn bei, der sich nicht belegen lässt. Der Inhalt des Anschreibens sei auch mit einem Rechtsstandpunkt vereinbar, wonach die beSt-Nutzungspflicht erst ab Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne.

Im Hinblick auf den Vorwurf der Fahrlässigkeit hätte das FG den Verschuldensvorwurf näher begründen und sich hierbei vor allem damit auseinandersetzen müssen, dass zum Jahreswechsel 2022/2023 eine komplexe Übergangssituation aufgetreten war, nachdem entgegen der gesetzlichen Vorgabe zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich und daher auch nicht erfolgt war, so das BVerfG. Es hätte erörtern müssen, dass – was der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag auch geltend mache – die BStBK während des Jahres 2022 in ihrem Hinweisschreiben und auf ihrer Homepage und auch zu Beginn 2023 durchgehend verlautbart hatte, dass die Pflicht zur Nutzung des beSt erst mit Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne. Zwar habe die Möglichkeit eines "Fast Lane"-Verfahrens bestanden, allerdings habe die BStBK dieses bis Ende Januar 2023 stets als "freiwillig" deklariert.

Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH verletzt laut BVerfG das rechtliche Gehör (Artikel 103 Absatz 1 GG) des Beschwerdeführers.

Soweit dieser in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt hat, warum das FG den Sinn der Ausführungen in dem Anschreiben zur Klageschrift missdeutet habe, habe es sich um Kernvortrag zu einer für das Verfahren zentralen Frage gehandelt. Gleichwohl habe der BFH sich mit diesem Vortrag nicht argumentativ auseinandergesetzt und diesen nicht verbeschieden.

Das BVerfG hat daher das Urteil des FG und den Beschluss des BFH über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.06.2025, 1 BvR 1718/24

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