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Unsere Soli-Musterklage läuft!

Top News / Presseinformation / Musterklagen / Steuerpolitik / Familie / Freiberufler / Unternehmen / Ruheständler / Immobilienbesitzer / Arbeitnehmer 15.11.2019

BdSt-Präsident Reiner Holznagel klärt die aktuell wichtigsten Soli-Fragen

Der Soli fällt – viele Bürger werden ab 2021 entlastet. Ein wichtiger erster Schritt, ein Erfolg für den Bund der Steuerzahler. Doch Kritik bleibt: Denn der Soli sollte komplett für alle abgeschafft werden! Warum steht der Solidaritätszuschlag rechtlich auf tönernen Füßen? Warum ist die Teilabschaffung der Ergänzungsabgabe unfair zum Beispiel für Sparer und Betriebe? Und was hat es mit unserer Musterklage auf sich? Darüber spricht BdSt-Präsident Reiner Holznagel im Interview mit der Passauer Neuen Presse.

Herr Holznagel, der Solidaritätszuschlag wird für 90 Prozent der Zahler abgeschafft. Endlich gute Nachrichten für die Steuerzahler, oder?

Reiner Holznagel: „Der erste Schritt ist gemacht, aber es wäre gut gewesen, gleich den zweiten Schritt festzulegen – dass der Soli für alle abgeschafft wird! Darüber hinaus fällt der Soli zu spät: Für die Menschen in Ost und West ist es nämlich keine Kleinigkeit, wenn sie die Ergänzungsabgabe auch im kommenden Jahr zahlen müssen: Dann fließen nochmals rund 20 Soli-Milliarden in die Bundeskasse. Die Politik hat den Soli immer mit den Aufbauhilfen für die neuen Länder verknüpft, die am Jahresende auslaufen. Nimmt man dieses Versprechen ernst, müsste auch der Soli schon ab Januar 2020 fallen.“

Sie wollen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und eine vollständige Abschaffung erreichen. Warum verstößt die teilweise Streichung aus Ihrer Sicht gegen das Grundgesetz?

Holznagel: „Wir wollen nicht nur klagen, sondern unterstützen bereits ein Musterverfahren vor dem Finanzgericht Nürnberg, das sich gegen die Soli-Vorauszahlungen für das Jahr 2020 richtet. Ein älteres Musterverfahren liegt bereits beim Bundesverfassungsgericht – deshalb bleiben auch alle Soli-Zahlungen vorläufig! In den Klagebegründungen gehen wir auf verschiedene Aspekte ein: So darf aus unserer Sicht eine Ergänzungsabgabe nicht mehrere Jahrzehnte erhoben werden, denn das Grundgesetz sieht Ergänzungsabgaben nur für besondere Haushaltsnotlagen vor. Ich meine aber: Bei den weiter steigenden Steuereinnahmen ist das nicht der Fall!“

  • In dem neuen Verfahren steht Rechtsanwalt Michael Sell dem Musterkläger zur Seite. Bis vor kurzem leitete Sell die Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium. Zum Thema gibt Sell dem Betriebs-Berater ein Interview: https://youtu.be/nwERpYXATxk

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will die höheren Einkommen nicht vom Soli entlasten und hält das für eine Frage der Gerechtigkeit. Kritiker sprechen bereits von einer versteckten Reichensteuer. Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Holznagel: „Leider verkommt die Soli-Debatte zur Neid-Debatte. Minister Scholz sagte einmal: `Nur ganz wenige werden in Zukunft den Soli noch zahlen – das sind Männer und Frauen mit sehr sehr hohen Einkommen.´ Ich meine aber: Wer eine `Reichensteuer´ will, sollte mit offenem Visier dafür eintreten und im Parlament für einen neuen Einkommensteuertarif mit höherer Belastung für Besserverdiener streiten. Doch was derzeit passiert, ist genau das Gegenteil!

Zudem ist übrigens Fakt, dass durch die Teilabschaffung vor allem Facharbeiter und gut ausgebildete Angestellte den Soli weiterzahlen müssen. Und das, obwohl sie bereits durch höhere Einkommensteuersätze einen großen Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Zudem darf nicht vergessen werden, dass auch Sparer und GmbHs weiter belastet werden, weil der Solidaritätszuschlag auch für sie nicht abgeschafft wird. Dies gilt selbst dann, wenn die GmbH nur einen kleinen Gewinn macht oder der Sparer neben seinen Zinsen nur eine kleine Rente bezieht. Insoweit werden nicht nur „Reiche“ den Zuschlag weiterzahlen müssen. Deshalb ärgert es mich, dass versucht wird, die Soli-Teilabschaffung als sozial ausgewogen zu verkaufen.“

Die Soli-Streichung soll erst 2021 in Kraft treten. Der Solidarpakt läuft aber schon Ende des Jahres aus. Verliert die Abgabe damit nicht ihre Berechtigung?

Holznagel: Vollkommen richtig! Der Soli hat seine Legitimation verloren und steht auch rechtlich auf tönernen Füßen: Mit jedem Jahr, in dem der Soli weiter erhoben wird, erhöht sich seine Verfassungswidrigkeit. Dies sehen inzwischen fast alle Experten so, wie eine Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags gezeigt hat. Deshalb gehen wir auch den juristischen Weg!

Eigentlich sollte die Streichung erst im Dezember beschlossen werden, wurde aber vorgezogen und liegt damit vor dem SPD-Bundesparteitag. Ist das Wahlkampfhilfe für Finanzminister Olaf Scholz, der SPD-Chef werden will?

Holznagel: „Die baldige Soli-Abschaffung wurde uns Bürgern schon versprochen, als die Ergänzungsabgabe damals eingeführt wurde. Dass die Politik nun so lange gebraucht hat und dann nur einen Teilschritt geht, ist mehr als bedauerlich! Wenn ich mir allerdings das aktuelle Gesetzgebungsverfahren anschaue, sehe ich regen Aktionismus: Dies wäre nötig gewesen, wenn die Änderungen schon 2020 in Kraft treten würden. Das wäre auch besser gewesen und ein wirklicher Beitrag zur Entlastung der Bürger. Der jetzige Aktionismus lässt viele Fragen offen und bringt uns keine Vorteile für das kommende Jahr.“

Das Interview führte Andreas Herholz.

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