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Online-Shopping: Diskriminierung nichtbinärer Personen

28.01.2022

Eine Person nichtbinärer Geschlechtsidentität, die beim Online-Shopping nur zwischen den Anreden "Frau" oder "Herr" auswählen kann, wird unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen des Geschlechts benachteiligt und in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden, gleichzeitig aber im konkreten Fall einen Anspruch auf Entschädigung verneint, weil die Diskriminierung hier nicht die dafür erforderliche Intensität erreicht habe.

Die klagende Person, in deren Personenstandsdaten beim Standesamt "keine Angabe" unter der Rubrik "Geschlecht" eingetragen ist, hatte im Herbst 2019 auf der Website des beklagten Bekleidungsunternehmens verschiedene Kleidungsstücke bestellt. Für die Registrierung und den Kauf war eine Auswahl zwischen den beiden Anreden "Frau" oder "Herr" erforderlich. Eine dritte Auswahl gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Die getätigten Käufe wurden unter der Anrede "Herr" bestätigt.

Die klagende Person macht aufgrund dieses Sachverhalts eine Entschädigung in Geld in Höhe von jedenfalls 2.500 Euro sowie einen Unterlassungsanspruch geltend. Damit hatte sie aber weder außergerichtlich noch vor dem Landgericht Mannheim Erfolg. Dessen klageabweisendes Urteil hat das OLG jetzt im Ergebnis bestätigt.

Zwar liege eine nach dem AGG verbotene unmittelbare Benachteiligung der klagenden Person wegen des Geschlechts bei der Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses im Rahmen eines so genannten Massengeschäfts vor. Die klagende Person habe – anders als eine Person mit männlichem oder weiblichem Geschlecht – den Kaufvorgang nicht abschließen können, ohne im dafür vorgesehenen Feld eine Angabe zu machen, die der eigenen geschlechtlichen Identität nicht entspricht. Hierdurch sei zugleich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der klagenden Person in seiner Ausprägung des Schutzes der geschlechtlichen Identität verletzt worden.

Ansprüche auf Unterlassung oder eine Entschädigung in Geld könnten aufgrund der konkreten Gestaltung des Einzelfalls jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

Ein Anspruch auf Unterlassung bestehe mangels einer dafür erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht, so das OLG. Zwischenzeitlich habe das beklagte Unternehmen im Anredefeld neben den Bezeichnungen "Frau" und "Herr" die Auswahlmöglichkeit "Divers/keine Anrede" aufgenommen. Sie habe damit eine geschlechtsneutrale Anrede für die Zukunft sichergestellt. Die klagende Person wird bei der Auswahl dieses Feldes nur noch mit der Höflichkeitsform "Guten Tag [Vorname Nachname] " angesprochen. Ihr werde nicht mehr zugemutet, sich mit der Wahl einer geschlechtsspezifischen Anrede einer Identität zuzuordnen, die der eigenen nicht entspricht. Deshalb sowie nach den weiteren Umständen des Streitfalles seien weitere Verletzungen des Benachteiligungsverbots nicht mehr ernsthaft zu erwarten.

Auch ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld stehe der klagenden Person nicht zu. Nicht jede Berührung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts löse einen Anspruch auf Geldentschädigung aus. Dafür erforderlich sei vielmehr eine schwerwiegende Verletzung des Benachteiligungsverbots, die eine gewisse Intensität der Herab- und Zurücksetzung erreicht.

Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Benachteiligung sei nur im privaten Bereich und nicht in der Öffentlichkeit vorgenommen worden; sie wiege deshalb weniger schwer. Der Grad des Verschuldens der Beklagten sei gering. Ihr sei es ersichtlich nicht darauf angekommen, einer kaufinteressierten Person eine Angabe zu ihrer geschlechtlichen Zuordnung abzuverlangen; Zweck der vorzunehmenden Auswahl sei lediglich gewesen, eine im Kundenverkehr übliche korrekte Anrede der bestellenden Person im Rahmen der weiteren Abwicklung des Massengeschäfts zu ermöglichen. Zudem habe sich die Beklagte bereits auf eine erste Beschwerde der klagenden Person hin bemüht, deren Anliegen durch eine Änderung des Internetauftritts Rechnung zu tragen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14.12.2021, 24 U 19/21, rechtskräftig

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