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Massenentlassungsverfahren: EuGH soll Folgen eines Verstoßes gegen § 17 Absatz 3 Satz 1 KSchG klären

31.01.2022

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll klären, welche Sanktion ein Verstoß gegen § 17 Absatz 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nach sich zieht. Hiermit bittet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Vorabentscheidungsersuchen.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem am 01.10.2019 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren. Der Kläger war seit 1981 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt

Am 17.01.2020 wurde die vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin zum 30.04.2020 beschlossen. In diesem Zusammenhang war die Entlassung aller zuletzt noch 195 beschäftigten Arbeitnehmer beabsichtigt. Aufgrund des Stilllegungsbeschlusses fanden mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs sowie eines Sozialplans statt. In Verbindung mit dem Interessenausgleichsverfahren wurde auch das im Fall einer Massenentlassung erforderliche Konsultationsverfahren gemäß § 17 Absatz 2 KSchG durchgeführt.

Entgegen § 17 Absatz 3 Satz 1 KSchG, der Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) in nationales Recht umsetzt, wurde jedoch der zuständigen Agentur für Arbeit keine Abschrift der das Konsultationsverfahren einleitenden und an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung gemäß § 17 Absatz 2 KSchG übermittelt. Mit Schreiben vom 23.01.2020 wurde eine Massenentlassungsanzeige erstattet, deren Eingang die Agentur für Arbeit am 27.01.2020 bestätigte. Am 28.01.2020 erhielt der Kläger die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2020. Noch für den 28./29.01.2020 beraumte die Agentur für Arbeit Beratungsgespräche für 153 Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin an.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28.01.2020 geltend gemacht. Die unterlassene Übermittlung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung gemäß § 17 Absatz 2 KSchG an die Agentur für Arbeit verstoße gegen § 17 Absatz 3 Satz 1 KSchG, Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 2 der MERL. Diese enthielten nicht nur eine sanktionslose Nebenpflicht, sondern stellten eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung dar. Die Übermittlungspflicht solle sicherstellen, dass die Agentur für Arbeit so früh wie möglich Kenntnis von den bevorstehenden Entlassungen erhalte, um ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Sie habe von daher arbeitnehmerschützenden Charakter. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Das BAG hat den EuGH ersucht, die Frage zu beantworten, welchem Zweck die Übermittlungspflicht nach Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 2 der MERL dient. Hiervon hängt nach Auffassung des BAG ab, ob § 17 Absatz 3 Satz 1 KSchG, der unionsrechtskonform in gleicher Weise wie Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 2 der MERL auszulegen ist, ebenso wie andere, den Arbeitnehmerschutz – zumindest auch – bezweckende Vorschriften im Massenentlassungsverfahren als Verbotsgesetz gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch anzusehen ist. In diesem Fall wäre die Kündigung unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2022, 6 AZR 155/21 (A)

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