
Investitionsoffensive mit Schlagseite
Mit großem Tamtam verkündete der Senat im Juni 2024 eine „Investitionsoffensive“: etwa 80 Millionen Euro für Stadtteilzentren und Sportstätten, finanziert gemeinsam mit dem Bund. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und die damalige Bezirkssenatorin und heutige Umweltsenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sprachen von einer „echten Erfolgsgeschichte“, die die soziale Infrastruktur stärken und das Miteinander in den Stadtteilen fördern solle.
Ein Jahr später zeigt sich: Die politische Rhetorik und die Realität klaffen weit auseinander. Der Bund der Steuerzahler Hamburg e.V. hat die Zwischenbilanz der 14 Projekte von der Finanzbehörde erbeten und analysiert - Ergebnis: massive Kostensteigerungen, jahrelange Verzögerungen und die unausgesprochene Wahrheit, dass Mehrkosten am Ende fast vollständig bei der Stadt und damit beim Hamburger Steuerzahler hängen bleiben.
„Die Investitionsoffensive des Senats ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Sie entwickelt sich vielmehr zur Kostenfalle für die Steuerzahler“, sagt Sascha Mummenhoff, Landesvorsitzender des Bund der Steuerzahler Hamburg e.V. „Die Senatsrhetorik von ‚richtigen Weichenstellungen‘ und ‚Investitionen in die Zukunft‘ verdeckt die Realität: explodierende Budgets, jahrelange Verzögerungen und einseitige Mehrbelastungen für Hamburg. Statt Selbstbeweihräucherung braucht es Transparenz, verbindliche Kostenobergrenzen und klare politische Verantwortung.“
Mummenhoff weiter: „Besonders bitter ist: Hier geht es um Projekte, die den Menschen in den Stadtteilen direkt zugutekommen sollten – Bürgerhäuser, Sportstätten, Kulturzentren. SPD und Grüne haben große Versprechen gemacht, die nun nicht eingehalten werden. Ob das bewusst oder unbewusst geschieht, ist eine politische Frage – klar ist aber: Professionalität sieht anders aus.“
„Es ist grundsätzlich richtig, dass Hamburg das Vereinsleben fördert – gerade in Stadtteilen, wo Sportvereine eine wichtige soziale Funktion erfüllen. Aber wenn Vereinsheime plötzlich fast doppelt so teuer werden wie geplant, dann reicht ein Achselzucken nicht aus. Die entscheidende Frage ist: Wer trägt die Verantwortung für diese massiven Kostensteigerungen?“, so Mummenhoff. „Lag es an teuren Sonderwünschen der Vereine – oder hat die Stadt, wie bei vielen anderen Bauprojekten, durch mangelhafte Planung oder fehlerhafte Ausschreibungen die Mehrkosten verursacht? Diese Fragen müssen transparent beantwortet werden – nicht zuletzt, um das Vertrauen in den Umgang mit Steuergeld zu stärken.“
Der Bund der Steuerzahler Hamburg fordert als Konsequenz eine ehrliche Zwischenbilanz des Senats - nicht nur Hochglanz-Presseinfos. Statt immer neue Nachschüsse zu Lasten des Landeshaushalts braucht es endlich ehrliche Kalkulationen und echte Kostenkontrolle. Der Preis muss von Beginn an passen - alles andere ist unseriös. Nur so lässt sich verhindern, dass die „Investitionsoffensive“ zum Fass ohne Boden wird. Zudem erwartet der BdSt, dass der Rechnungshof alle Projekte kritisch beleuchtet.
Faktencheck zur „Erfolgsgeschichte“
Kostenexplosionen:
- Ruder-Club Wilhelmsburg: nahezu Verdoppelung von 2,7 auf 5,2 Mio. Euro.
- Neubau Schwanenquartier: von 3,6 Mio. Euro (2021) auf 7,1 Mio. Euro (2024), also nahezu eine Verdoppelung - bei einer gleichzeitigen Verzögerung von mindestens zwei Jahren.
- Sportcampus Alsterdorf: von 7,1 auf 12,8 Mio. Euro (plus 80 Prozent).
- Goldbekhaus: von 9,1 auf 15,6 Mio. Euro, Fertigstellung 2030 statt 2025.
- Farmsener Turnverein: von 1,1 auf 5,5 Mio. Euro (plus 400 Prozent).
- Lehrschwimmbecken Wandsbek: von 12,7 auf 21 Mio. Euro.
Verzögerungen:
Fast alle Projekte liegen weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Während der Senat 2024 schnelle Sanierungen versprach, rutschen Fertigstellungstermine reihenweise in die Jahre 2027 bis 2030.
Unklare Nachfinanzierungen:
Der Senat räumt selbst ein, dass „alle Kostensteigerungen komplett auf unsere Rechnung“ gehen – also auf Hamburgs Landeshaushalt. Bundesmittel sind gedeckelt, zusätzliche Millionen müssen aus der Stadtkasse finanziert werden.
Die Einzelprojekte in der Übersicht:
- Jugend- und Stadtteilkulturzentrum Motte e. V. (Bezirk Altona): Noch keine Kostensteigerung dokumentiert, aber Verzögerung um zwei Jahre. Klassisches Muster: Der Zeitplan platzt – die Kosten folgen erfahrungsgemäß später.
- Sanierung Bürgerhaus Wilhelmsburg (Bezirk Hamburg-Mitte): Kostensteigerung von 9,4 auf 9,8 Mio. Euro. Grund: zusätzliche Brandschutzauflagen. Finanzierung: 3 Mio. Euro Bundesmittel, 6,8 Mio. Euro Landesmittel. Bau bereits gestartet. Fertigstellung Ende 2025 – bislang ohne Verzögerung.
- Hamburg-Haus (Bezirk Eimsbüttel): Kostensteigerung von 13,2 auf 13,6 Mio. Euro, neuer Fertigstellungstermin 2027 statt 2025. Offizielle Begründung: denkmalpflegerischer Aufwand. Faktisch: zwei Jahre später und teurer.
- Ruder-Club Wilhelmsburg – Neubau Vereinshaus (Bezirk Hamburg-Mitte): Von 2,7 auf 5,2 Mio. Euro, also nahezu eine Verdoppelung. Begründung: Inflation, Corona, Kriegsfolgen und Planungsfehler. Fertigstellung jetzt 2026 statt 2023.
- Jüdischer Friedhof (Bezirk Hamburg-Nord): Keine Kostensteigerung, aber noch nicht gestartet. Zuwendungsantrag erst im vierten Quartal 2025 geplant.
- Sportcampus Alsterdorf (Bezirk Hamburg-Nord): Von 7,1 auf 12,8 Mio. Euro, also plus rund 80 Prozent. Begründung: Inflation und schlechter Baugrund. Fertigstellung statt 2025 jetzt erst 2026.
- Straße der Inklusion (Bezirk Hamburg-Nord): Stabil bei 12,2 Mio. Euro, aber Baustart frühestens 2025/26.
- Kanucentrum Osterbek des Hanseat Verein für Wassersport e. V. (Bezirk Hamburg-Nord): Angeblich Kostensenkung von 7,0 auf 6,5 Mio. Euro. Aber der Baustart ist auch erst Ende 2025.
- Ersatzneubau Goldbekhaus (Bezirk Hamburg-Nord): Von 9,1 auf 15,6 Mio. Euro, Fertigstellung nun 2030 statt 2025.
- Neubau Schwanenquartier (Bezirk Hamburg-Nord): Von ursprünglich 3,6 Mio. Euro (2021) auf inzwischen 7,1 Mio. Euro (2024). Fertigstellung ursprünglich für 2024 vorgesehen, nun mindestens zwei Jahre verspätet. Begründung: schwieriger Baugrund, Preissteigerungen – und zugleich Ausweitung des Projekts (Umweltbildungsräume, Dachbegrünung).
- Ersatzneubau Vereins- und Stadtteilzentrum Farmsener Turnverein (Bezirk Wandsbek): Von 1,1 auf 5,5 Mio. Euro, Fertigstellung 2027 statt 2023. Kostensteigerung 400 Prozent.
- Lehrschwimmorientiertes Becken (Bezirk Wandsbek): Von 12,7 auf 21 Mio. Euro. Verzögerung zwar „nur“ drei Monate, aber ein gewaltiger Sprung im Budget. Fertigstellung 2027.
- Ersatzneubau Vereins- und Stadtteilzentrum SC Eilbek (Bezirk Wandsbek): Von 2,9 auf 4,7 Mio. Euro, Fertigstellung nun 2027 statt 2024.
- Sanierung und Erweiterung Sportforum Walddörfer SV (Bezirk Wandsbek): Von 5,3 auf 7,9 Mio. Euro, Fertigstellung bis 2027 statt 2023.
Fazit:
Von den 14 Projekten, die Senator Dr. Andreas Dressel im Juni 2024 als Teil des Investitionspakets angekündigt hatte, ergibt sich ein ernüchterndes Bild:
- Nur ein Projekt (Bürgerhaus Wilhelmsburg) liegt aktuell im Zeitplan – wenn auch mit leichter Kostensteigerung.
- Zwei Projekte (Motte Altona, Jüdischer Friedhof) sind bislang ohne dokumentierte Kostensteigerungen, aber deutlich verzögert.
- Zehn Projekte sind entweder massiv teurer geworden, deutlich verspätet oder beides.
- Ein Projekt (Kanucentrum Osterbek) weist zwar eine nominelle Kostensenkung aus, ist aber ebenfalls zeitlich ins Rutschen geraten.
Ein Jahr nach der groß angekündigten „Investitionsoffensive“ zeigt sich ein Muster aus Verzögerungen, Kostensteigerungen und unsicherer Nachfinanzierung. Die Diskrepanz zwischen politischen Versprechen und Realität ist erheblich.
Zum Abendblatt:
www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article409777013/hamburger-bauprojekte-exklusive-liste-diese-vorhaben-werden-deutlich-teurer.html
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