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Verwaltungsumbau in Mönchengladbach: Neustart nach Kostenexplosion
Die Stadt Mönchengladbach plant das „Rathaus der Zukunft“ gemeinsam mit der „Verwaltung der Zukunft“. Der BdSt NRW findet es bemerkenswert, wie die Stadt vorgeht und hat nachgehakt bei Mönchengladbachs Oberbürgermeister Felix Heinrichs und Pressesprecher Tim Irion.
Veraltete Verwaltungsstruktur an über 30 Standorten
Die Ausgangslage in Mönchengladbach war alles andere als rosig: Eine auf über 30 Standorte verteilte Stadtverwaltung, viele Gebäude baulich und energetisch in einem schlechten Zustand. 2015 hatte die Stadt die Gelegenheit, im Stadtteil Rheydt die zweite Hälfte eines Karstadt-Gebäudes zu kaufen. Es liegt direkt neben dem alten Rheydter Rathaus und bestimmt mit dem alten „Königlich preußischen Bezirkskommando“ das Bild am Marktplatz. Die Idee war, die Verwaltung an diesem Ort zu konzentrieren.
2017 begann die Planungsphase, es folgte ein städtebaulicher Wettbewerb. Anfang 2023 lagen Pläne und Entwürfe vor. Und auch eine gestiegene Kostenprognose – von 160 auf 345 Millionen Euro.
Oberbürgermeister Felix Heinrichs erklärte dem BdSt NRW: „Nach Jahren der Planung wollte ich Klarheit, ob wir angesichts der Kosten das Projekt so umsetzen können. Wir hätten das auch im kommenden Haushalt berücksichtigen müssen. Bei dieser Kostenexplosion war mir klar, dass es so nicht weitergeht und das Projekt zu wichtig ist, um immer weiter vertagt zu werden. Ich habe daraufhin eine klare Entscheidung getroffen und die Planungen beendet.“ Der Rat stimmte zu, die urspüngliche Planungsidee zu beenden. Solche Entscheidungen kann der BdSt NRW nur loben.
Lösung mit abgespecktem Konzept und Etappenplanung
Heinrichs und sein Team erarbeiteten eine neue „abgespeckte“ Lösung mit einer 10-Jahres-Perspektive für die Umsetzung. Insgesamt wird die Zahl der Standorte mehr als halbiert. Zuerst soll in Rheydt für 120 Millionen Euro der Bauteil A (Altes Rathaus und Kommandantur sowie die Flächen dahinter und dazwischen) umgesetzt werden. Erst danach folgt Bauteil B (Karstadtgebäude). „Es soll von Etappe zu Etappe weitergearbeitet werden. Das hängt aber auch davon ab, was wir uns überhaupt leisten können“, so Heinrichs.
Dabei zeigt sich, dass es klug war, nicht nur an die Gebäude zu denken, sondern auch an die Verwaltung der Zukunft. Das Konzept sieht ein Front- und ein Backoffice vor. Die Stadt verabschiedet sich von dem Modell „mein Büro – mein Schreibtisch“ und orientiert sich an dem, was in der Wirtschaft unter „Newwork“ verstanden wird. Je nach Bedarf buchen sich Mitarbeiter Schreibtische in „offenen Bürowelten“, in Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten, Besprechungsräume oder Räume, um Besucher zu empfangen. Stationäre PC und Telefone gibt es nicht mehr. Und mit einer bezierten Homeoffice-Quote kann die Frage nach der nötigen Zahl der Arbeitsplätze neu beantwortet werden: sieben Plätze für zehn Beschäftigte. War früher ein Raumbedarf von ca. 46 Quadratmeter pro Mitarbeiter eingeplant, sind es jetzt nur noch 22 Quadratmeter.
Arbeitsalltag im Testbetrieb: Nordpark statt Amtstuben
Das alles ist aber nicht in Stein gemeißelt. Die Stadt sammelt Erfahrungen. Erst gab es im „Büro von morgen“ einen Showroom, in dem Strukturen und Abläufe getestet werden können. Als dann an einem Standort alte Mietverträge ausliefen, tauschte die Stadt nahezu kostenneutral als 10-Jahres-Interim alte Räume gegen neue Büros im Nordpark bei einer großen Bank. Die brauchte auch weniger Fläche. Hier arbeiten heute bis zu 500 Mitarbeiter der Verwaltung und wenden das neue Arbeiten bereits an. Heinrichs nennt das „Ausprobieren im Livebetrieb“.
Während des Gesprächs zeigte ein Blick in die entsprechende Software, dass auf einer Etage im Nordpark nur die Hälfte der Arbeitsplätze belegt war. Heinrichs: „Das ist natürlich eine Momentaufnahme, aber auf einen längeren Zeitraum betrachtet werden Erfahrungen gesammelt, die wir auf weitere Umbaumaßnahmen in Rheydt übertragen können.“
Moderne Verwaltung mit Kita und Kaffeeküche
Den Verantwortlichen ist bewusst, dass den Mitarbeitern auch etwas weggenommen wurde. Dafür bekämen sie jedoch etwas zurück: beispielsweise ansprechende Sitzecken, Rückzugsräume, Kaffeeecken oder eine aktive Verschattungsanlage. Am Rathaus Rheydt wird es auch eine Betriebskita geben.
Betriebskosten runter, Büroflächen runter, Baukosten im Blick
Die Stadt steht noch am Beginn eines Prozesses. Für Heinrichs ist „das größte Risiko bei diesem Projekt die Baukostenentwicklung“. Durch langjährige Planungszeiten sei aber die Bausubstanz bekannt. Überraschungen seien kaum zu erwarten. Schadstoffe böten jedoch immer ein Risiko.
120 Millionen Euro für den ersten Abschnitt sind eine große Investition, und der zweite Bauabschnitt wird auch viel kosten. Doch die Gebäude sind nachhaltig, und die Bürofläche wird deutlich reduziert. In der Folge sinken die Betriebskosten. Eine aktuelle Wirtschaftlichkeitsberechnung gibt es nicht. Sie sei zu aufwändig, der Erkenntnisgewinn zu gering. Doch bei der Vorgängerplanung sei – trotz der Kostensteigerungen – bis zuletzt der Nachweis erbracht worden, dass diese Investition wirtschaftlicher sei als die Sanierung und der Weiterbetrieb der Bestandsgebäude.
"Als Stichtag der Berechnungen wurde dabei das Jahr 2046 gewählt, in dem sich die Investition für den Rathaus-Neubau immer noch amortisiert hätte“, so Sprecher Tim Irion. Weiter gestiegene Sanierungskosten und eine höhere Desk-Sharing-Quote würden das Pendel noch deutlicher für die jetzige Version schlagen lassen.
Der BdSt lobt Klarheit und Mut zur Modernisierung
Der BdSt NRW hätte lieber konkrete Zahlen gesehen, dennoch ist das Vorgehen der Stadt zu begrüßen. Nicht nur, dass sie 2023 die Notbremse gezogen hat, auch die Abstimmung von Rathausbau und Verwaltung der Zukunft ist sinnvoll, weil mit diesem Konzept Digitalisierung und neue Arbeitsmodelle Einzug in die oft „verstaubte“ Verwaltung halten. Der Bund der Steuerzahler wird das Projekt im Auge behalten.
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