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Guido Grochowski

So teuer sind Abfall und Abwasser in NRW

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / News für Rentner / Arbeitnehmer-News / Newsticker Nordrhein-Westfalen 05.08.2021

Der Bund der Steuerzahler NRW stellt weiterhin realitätsferne Zinsen bei der Abwassergebührenkalkulation fest – Bürger können von Musterprozess profitieren 

Abfallgebühren

Die Abfallgebühren für private Haushalte in Nordrhein-Westfalen sind in diesem Jahr teilweise nur geringfügig gestiegen. Im Landesdurchschnitt verzeichnet der BdSt-Musterhaushalt (120-l-Restmülltonne mit vierwöchentlicher bzw. 14-täglicher Leerung und 120-l-Biotonne mit 14-täglicher Leerung für 4 Personen) ein Plus von 1 %. Lediglich in den Städten, in denen die Restmülltonne wöchentlich geleert wird, war im Landesdurchschnitt ein Anstieg von 3 % feststellbar.

Die Abfallgebühren in NRW bleiben also auf einem hohen Niveau recht stabil. Wir stellen in diesem Jahr allerdings einen deutlichen Wechsel im Spitzenfeld fest. Gehörten in der Vergangenheit Kommunen im Kreis Wesel regelmäßig zu denen, die die höchsten Abfallgebühren erhoben haben, wurden sie in diesem Jahr von den Kommunen Aachen, Radevormwald und Bochum abgelöst. Die Städte und Gemeinden im Kreis Wesel landen nun überwiegend im Mittelfeld. Der Grund sind die Verbrennungsentgelte.

Wie wir bei unserem Gebührenvergleich stets erklären, sind die Kosten für die thermische Beseitigung des Hausmülls (Verbrennungsentgelte) neben den Logistikkosten der bedeutendste Faktor bei der Kalkulation der Abfallgebühren. Die Müllverbrennungsanlage Asdonkshof in Kamp-Lintfort, an die die Kommunen des Kreises Wesel ihren Hausmüll liefern, gehörte zu den teuersten Anlagen in Nordrhein-Westfalen. Jetzt ist die MVA abgeschrieben, und die Leistungsgebühren bei den Verbrennungskosten sanken von 207 Euro auf 109 Euro je Gewichtstonne. Auch die jährliche Grundgebühr je Einwohner ging deutlich von 21,50 auf 1,78 Euro zurück.

In der Folge sind die Gesamtkosten im Gebührenbereich Abfall allein in der Stadt Wesel um fast 3 Millionen Euro gesunken, und so zahlt der BdSt-Musterhaushalt in diesem Jahr 21 % weniger als im vorigen Jahr. Ähnlich hohe Abfallgebührenrückgänge wurden auch aus Alpen, Dinslaken, Schermbeck, Sonsbeck gemeldet.

Ein weiterer Faktor, der die Höhe der Abfallgebühren bestimmt, sind die Aufwendungen für das Einsammeln und Transportieren des Hausmülls, die so genannten Abfuhrverträge. Hier gibt es ein uneinheitliches Bild in NRW. Während die Gemeinde Saerbeck aus dem Kreis Steinfurt einen Rückgang der Hausmüllgebühren durch eine EU-weite Neuausschreibung des Vertrages für das Einsammeln und Abfahren von Restmüll, Bioabfall und Altpapier erreichen konnte, hat in der Gemeinde Selfkant im Kreis Heinsberg die durchzuführende europaweite Ausschreibung der Abfallentsorgungsleistungen zu einer deutlichen Steigerung der Gebühren um 20 % geführt.

Wir haben festgestellt, dass inzwischen gut 250 Kommunen gelbe Tonnen bereitstellen. Die gelben Säcke sind auf dem Rückzug. Das begrüßen wir aus zwei Gründen: Gelbe Tonnen werden stärker akzeptiert als gelbe Säcke, die Verbraucher trennen sorgfältiger. So können sie ihren Restmüll reduzieren und eine kleinere Tonne oder einen längeren Abfuhrrhythmus wählen. Das senkt ihre Gebühren. Zum anderen haben wir in Gesprächen mit Praktikern vor Ort oft gehört, wie problematisch das Einsammeln der Säcke ist – besonders, wenn sie schon bei relativ leichtem Wind vom Straßenrand weggeweht werden.

In unserem Vergleich des Jahres 2018 haben wir erstmals die „überwiegend nachgefragte Abfalltonne“ abgefragt. Bei den aktuellen Recherchen haben wir festgestellt, dass die 120-l-Tonne noch dominiert, aber kleinere Gefäße mit 60 oder 80 Litern auf dem Vormarsch sind. Wir appellieren nach wie vor an die Kommunen, diesem Trend Rechnung zu tragen und ihren Bürgern weitgehend Wahlfreiheit bei Tonnengröße und Abfuhrrhythmus einzuräumen. Die damit verbundene Sparmöglichkeit setzt einen Anreiz für umweltbewusstes Verhalten.

Ein positiver Ausblick ist beim Thema Altpapierpreise möglich. Im vergangenen Jahr hat sich der Altpapierpreis von 50 Euro auf 150 Euro je Gewichtstonne verdreifacht. In NRW reicht die Gebührenspanne für ein 240-l-Altpapiergefäß bei vierwöchentlicher Leerung in der Regelausstattung/Erstausstattung von 2,49 Euro im Jahr in Attendorn im Kreis Olpe bis zu 30,24 Euro in Bad Laasphe im Kreis Siegen-Wittgenstein, wobei die meisten Kommunen in NRW keine separaten Gebühren für die Altpapiergefäße in der Regel-/Erstausstattung erheben.

Teile von Nordrhein-Westfalen sind aktuell durch die Jahrhundertflut schwer in Mitleidenschaft gezogen. Es sind enorme Mengen an Sperrmüll angefallen. Müssen die Bürger an Urft und Erft jetzt mit steigenden Abfallgebühren rechnen? Eindeutig nicht, denn in die Abfallgebührensatzkalkulation dürfen nur betriebsbedingte Kosten einkalkuliert werden. Neutraler Aufwand in Form von außerordentlichem Aufwand – verursacht durch eine Flutkatastrophe – muss außen vor bleiben.

Unabhängig von der Flut zahlen die Bürger in Mechernich im Kreis Euskirchen 25 % mehr für die Abfallentsorgung. Das liegt zum einen an größeren Mengen Sperrmüll, zum anderen an der Neuausschreibung des Abfuhrvertrages – die natürlich nichts mit der aktuellen Unwetterkatastrophe zu tun hat. Gleichwohl werden wir die Entwicklung der Abfallgebühren in den Katastrophengebieten beim Gebührenvergleich im nächsten Jahr im Auge behalten. Es darf nicht sein, dass die Menschen als langfristige Folgen der Flut auch noch massiven Gebührensteigerungen ausgesetzt sind.

Die Forderungen des BdSt NRW

1. Um über eine Reduzierung der Logistikkosten eine Reduzierung der Abfallgebühren zu erreichen – aber auch um das Klima zu schützen – sollte die verpflichtende wöchentliche Entleerung der Restmüll- und Biotonnen aufgegeben und weitgehende Wahlfreiheit bei der Behältergröße eingeräumt werden. Diese Forderung geht besonders an die Städte Köln, Düsseldorf, Essen bei der Restmülltone und Münster bei der Biotonne.

2. Auf die Erhebung separater Altpapiergebühren sollte aufgrund der Erlössituation verzichtet werden.

3. Die durch die Jahrhundertflut entstandenen Entsorgungskosten sind betriebsfremder, außerordentlicher Aufwand und dürfen deshalb nicht in die Kalkulation der Abfallgebühren einfließen.

 

 

Abwassergebühren

Die Abwassergebühren für den BdSt-Musterhaushalt (200 m³ Frischwasserverbrauch und 130 m² vollversiegelte, abflusswirksame Fläche auf dem Grundstück, das 4 Personen bewohnen) sind in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr von durchschnittlich 726 auf 737 Euro gestiegen (+ 1,5 %). Es bleibt bei der großen Spannbreite bei den Gebührensätzen für Schmutzwasser und für Regenwasser sowie bei der Gesamtbelastung für den Musterhaushalt.

Der Schmutzwassersatz liegt zwischen 1,07 Euro/m³ in Reken (Kreis Borken) und 5,77 Euro/m³ in Much (Rhein-Sieg-Kreis). Die Regenwassergebühren reichen von 0,15 Euro/m² in Hövelhof (Kreis Paderborn) bis 2,19 Euro/m² in Siegburg (Rhein-Sieg-Kreis). Der Musterhaushalt zahlt für die Abwasserentsorgung insgesamt mit 1.271,90 Euro in Much am meisten und mit 246,50 Euro in Reken am wenigsten.

Mehrere Faktoren bestimmen die Höhe der Gebührensätze für Schmutzwasser und für Regenwasser. Der wichtigste Faktor ist die Art und Weise, wie die Kommune die Kapitalkosten - dahinter stehen die Abschreibungen und die Eigenkapitalverzinsung - kalkuliert. Hier unterstützt der Bund der Steuerzahler NRW derzeit ein Musterverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht NRW. Dazu kommen wir gleich ausführlicher. 

Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Beiträge der Wasserwirtschaftsverbände, die den Städten und Gemeinden „in Rechnung“ gestellt werden. So stiegen die Abwassergebühren für den Musterhaushalt in Viersen (+ 23 %), Brüggen (+ 17 %), Kempen (+ 17%) und Straelen (+ 12 %) auch deshalb so stark, weil der Niersverband seine Beiträge, die er von den Kommunen verlangt, erhöht hat.

In manchen Orten verzeichnen wir einen Rückgang der Abwassergebührenbelastung. Der häufigste Grund ist die Auflösung von Mitteln aus der Gebührenausgleichsrücklage. So gingen die Abwassergebühren in Kall (Kreis Euskirchen) um 7 % zurück, weil Mittel aus der Gebührenausgleichsrücklage zur Verfügung standen. Einen eher geringen Einfluss auf den Rückgang der Abwassergebührenbelastung haben die finanziellen Mittel aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz NRW, wie das Beispiel Hellenthal (Kreis Euskirchen) zeigt.

Der BdSt NRW unterstützt derzeit ein Musterverfahren vor dem OVG NRW. Das hatten wir beim Gebührenvergleich im vergangenen Jahr bereits angekündigt. Inzwischen ist das Verfahren eröffnet, und sein Ausgang wird für alle 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen von Bedeutung sein.

Im Kern geht es bei diesem Verfahren um die Kalkulation der Abwassergebühren. Bisher legen die meisten Kommunen ihren Berechnungen der Abwassergebührensätze einen zu hohen Zinssatz für das für Zwecke der Abwasserbeseitigung gebundene Vermögen (so genannte Eigenkapitalverzinsung) zugrunde. Allein bei der Verzinsung des gebundenen Kapitals wird für das Jahr 2021 ein Zinssatz von bis zu 5,92 % als zulässig angesehen. Für das kommende Jahr liegt der maximal zulässige Zinssatz bei 5,742 %. Der Bund der Steuerzahler NRW hält diesen Zinssatz angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase für weit überhöht. Gegen diese Art der überhöhten Kostenkalkulation richtet sich der Musterprozess. Wir fordern damit, dass sich die Kommunen an realitätsnäheren Zinsen orientieren müssen. Da die Abwasserentsorgungsanlagen einen großen Anteil des Anlagevermögens häufig in Millionenhöhe darstellen, würde ein realitätsnäherer – und damit niedriger – Zins direkt auch zu einer niedrigeren Abwassergebühr führen. Umgekehrt heißt das: Bleibt es bei überhöhten Zinsen in der Gebührenkalkulation, werden durch die Gebühren Gewinne erwirtschaftet. Das ist nach dem Kommunalabgabengesetz verboten. Offensichtlich ist dies aber gängige Praxis. Einige Gemeinden wie Alsdorf, Detmold, Gummersbach, Kreuztal, Mönchengladbach oder Winterberg nutzen sogar Zinssätze, die den nach der bisherigen Rechtsprechung höchstens anzuwendenden kalkulatorischen Zinssatz übersteigen.

Wegen knapper gesetzlicher Regelungen konkretisiert die Rechtsprechung die juristischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen bei der Kalkulation von Benutzungsgebühren. So deutete das Oberverwaltungsgericht NRW im Jahr 2016 an, dass die bisherige Rechtsprechung zur kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung überprüft werden soll. Deshalb unterstützen wir den Musterprozess. Er soll für einen Grundbesitzabgabenbescheid aus dem Jahr 2017 klären, in welcher Höhe ein kalkulatorischer Zinssatz auf das Eigenkapital angewendet werden darf und ob Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten* weiterhin zulässig sind.

Ein Urteil erwarten wir im erst im kommenden Jahr. Danach wird es einige Zeit dauern, bis die Städte und Gemeinden ihre Kalkulationsmodalitäten der Änderung der Rechtsprechung angepasst haben. Dementsprechend werden die Gebührenzahler auch erst in der Zukunft davon profitieren, wenn das Urteil positiv ausgehen sollte.

Aus diesem Grund haben wir Anfang des Jahres die Gebührenzahler aufgerufen, gegen ihren Abwassergebührenbescheid 2021 Widerspruch einzulegen und ein Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Diesen Aufruf wiederholen wir für das Jahr 2022. Angesprochen sind auch alle, die in diesem Jahr schon Widerspruch eingelegt haben. Nur ein aktueller Widerspruch führt dazu, dass man sofort von einem positiven Ausgang des Musterverfahrens profitieren kann. Ansonsten muss man abwarten, bis die Kommunen ihre Kalkulationen geändert haben.

Eine Bemerkung ist in diesem Zusammenhang noch wichtig: Auch wer Widerspruch einlegt, muss seine Abwassergebühren pünktlich bezahlen. Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung!



Hilfe für die Gebührenzahler

Für alle, die Fragen zum Musterprozess oder allgemein zu den Gebührenbescheiden haben, hat der Bund der Steuerzahler NRW Telefonsprechstunden eingerichtet und bietet kostenlose Webinare an. Die Termine haben wir in einem Flyer zusammengestellt, den man telefonisch bestellen kann: 0211 99175-45.

 

* Wiederbeschaffungszeitwert = Kosten der Infrastruktur, wenn sie heute erstellt würde; Anschaffungs-/Herstellungswert = Kosten der Infrastruktur zum Zeitpunkt ihrer Erstellung


Hier lesen Sie unseren Vergleich 

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