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Hans-Ulrich Liebern (links) und Sabina Büttner sprachen mit Friedrich-Wilhelm Altemeier über seine Arbeit im Gutachterausschuss der Stadt Hagen.
© Katrin Ernst / BdSt NRW

Grundsteuer, Bodenrichtwert und Gutachterausschüsse

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / Newsticker Nordrhein-Westfalen 09.07.2025

Die Grundsteuer sorgt weiterhin für viel Ärger. Im Interview erklärt der Sachverständige Friedrich-Wilhelm Altemeier, was es mit dem Bodenrichtwert und den Gutachterausschüssen auf sich hat.

Friedrich-Wilhelm Altemeier ist Architekt BDB AKNW, Dipl.-Ing., Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie Mängeln am Bau. Er war bis 2011 ehrenamtliches Mitglied des Gutachterausschusses in der Stadt Hagen und bis 2017 als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Gerichte tätig. Das Gespräch mit ihm haben Hans-Ulrich Liebern, Landesgeschäftsführer BdSt NRW, und Sabina Büttner, Leiterin Steuern und Soziales BdSt NRW, mit ihm geführt.

Herr Altemeier, Sie waren 23 Jahre Mitglied eines Gutachterausschusses. Dadurch kennen Sie die Antworten, auf die Fragen, die sich in den letzten Jahren viele im Rahmen der Grundsteuer gestellt haben: Wie kommen die Bodenrichtwerte zustande?

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte ist eine Institution, die vom Regierungspräsidenten in jeder Gemeinde sowie in den Kreisen eingerichtet wurde. Er besteht aus einer Geschäftsstelle, versehen mit einem Geschäftsführer, mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und ehrenamtlichen Gutachtern. Die Geschäftsstelle ist dem Katasteramt angegliedert. Der Vorsitzende des Gutachterausschusses ist in jedem Fall der Amtsleiter des jeweiligen Katasteramtes. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter rekrutieren sich in der Regel aus Architekten öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren und Immobilienmaklern, also mit sachkundigen Personen.
Kommt es in der jeweiligen Gemeinde zu einem Grundstückskauf so ist der Notar verpflichtet, eine Kopie des Vertrages zur Einsicht und zum Verbleib der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses zuzusenden. Der hier eingetragene Kaufpreis der Immobilie wird von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf seine Plausibilität überprüft. 
Verträge mit nicht nachvollziehbaren Kaufpreisen werden ausgesondert und bleiben für eine weitere Verwendung unberücksichtigt. Nach äußerer Inaugenscheinnahme des Objektes und eventueller Akteneinsicht im Archiv des Bauordnungsamtes werden aus dem Gesamtkaufpreis die Grundstücks- und Gebäudewertanteile bestimmt.
Die so ermittelten Grundstückswerte werden mit dem vorhandenen Bodenrichtwert verglichen. Exorbitante Abweichungen zu den vorhandenen Bodenwerten können zu Veränderungen des Bodenrichtwertes führen. Sie werden dem gesamten Gutachterausschuss innerhalb der Jahreshauptversammlung vorgestellt, diskutiert und zum Beschluss empfohlen. Das Finanzamt, welches für diese Gemeinde bzw. den Kreis zuständig ist, ist je nach Größe der Bezirke mit mehreren Mitarbeitern zwingend vertreten. Diese Mitarbeiter sind vollwertige Mitglieder des Gutachterausschusses.
 

Was passiert, wenn keine Kaufpreise vorhanden sind?

Es ist unvorstellbar, dass in einer Gemeinde kein Grundstücksmarkt stattfindet. Finden nur in Teilbereichen keine Verkäufe statt, so bleibt hier der vorhandene Bodenrichtwert stabil, wenn nicht andere Kriterien dazu führen, Änderungen in beide Richtungen durchzuführen. Steigerungen des Bodenwertes werden zum Beispiel von den allgemeinen Wertsteigerungen auf dem Immobilienmarkt abgeleitet und in der Regel regressiv gehandhabt. Bodenrichtwerte für Neubaugebiete werden nach sachverständigen Kriterien ermittelt, Bodenwerte der angrenzenden Baugebiete sind unterstützend hinzuzuziehen. Eine Korrektur dieser Bodenwerte erfolgt auf der Grundlage von getätigten Verkäufen. In den in den letzten Jahrzehnten erfolgten die Baulanderschließungen durch Bauträger mit öffentlich-rechtlichem Charakter (z. Bsp LEG). In diesen Fällen wird der Bodenwert, aus dem der Bodenrichtwert abgeleitet wird, nachvollziehbar ermittelt. In der Regel beinhaltet der Bodenwert

  • die Kosten des Netto Rohbaulandes
  • den Verfahrenskosten (Aufstellen eines Bebauungsplanes)
  • den Kosten der inneren und äußeren Erschließung
  • sowie sämtliche andere Kosten, die entstehen, um aus einem Brachland Bauland werden zu lassen.
     

Würden Sie sagen, dass der Bodenrichtwert dann den Verkehrswert eines Grundstückes darstellen kann?

Nein, das ist nicht so. Der Verkehrswert eines jeden Grundstücks ist sachverständig auf der Grundlage des Bodenrichtwertes zu entwickeln, beziehungsweise abzuleiten. D.h. der festgesetzte Bodenrichtwert eines Gebietes ist und kann nicht der Verkehrswert des jeweiligen Einzelgrundstückes sein. Er ist ein wichtiges Beurteilungskriterium. Kein Grundstück gleicht dem Anderen. Diese Unterschiede fließen in den Verkehrswert als die „besonderen Grundstücksmerkmale“ mit ein. Dazu gehört

  • Größe der Fläche
  • Größe des nutzbaren Baulandes
  • Lage
  • Zuschnitt
  • Oberflächenbeschaffenheit (Steillagen)
  • sowie die Art der Erschließung.

Dies ist Sachverständigenarbeit, die bei der Bewertung eines jeden Einzelgrundstückes anfällt. Weiterhin wird der Bodenpreis (Verkehrswert) von Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt beeinflusst.
 

Gibt es ein Instrument, mit dem das Finanzamt und der Gutachterausschuss eine Bewertung von Grund und Boden automatisiert vornehmen können?

Die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse haben in den letzten 10 Jahren Methoden entwickelt, einen individuellen Bodenwert eines bestimmten Gebietes tabellarisch als Exceldatei zu ermitteln. Federführend sind hier die Gutachterausschüsse des Landes NRW. In eine solche Datei sollte das sachverständige Wissen eines jeden Gutachterausschusses aus der Jetzt-Zeit der Vergangenheit sowie die voraussehbare Entwicklung mit einfließen. In einem solchen Bodenrichtwertrechner bezieht sich der zu ermittelnde Bodenwert auf die gebietstypische Baulandflächengröße. Übergrößen werden gesondert, entsprechend ihrer möglichen Nutzung, bewertet und gehören zu den besonderen Bewertungsmerkmalen.
 

Werden hier die Grundstückszonen (Bauland, Gartenland,...) berücksichtigt?

Ja, in der Regel ist das so. Die Baulandflächengrößen werden für jede Bodenrichtwertzone vom Gutachterausschuss bestimmt. Sie errechnen sich aus der in diesem Gebiet vorherrschenden Baulandbreite. Bei einer Doppelhaushälfte beträgt sie in der Regel 10 m und berücksichtigt die Baukörperbreite sowie eine einseitige Abstandsfläche zum Nachbargrundstück. Die Regelbautiefe beträgt je nach Baudichte zwischen 25 m und 40 m und besteht aus der Vorderlandfläche (der Abstand von der Straßenfläche zur Baulinie), dem Abstand von der Baulinie zur hinteren Baugrenze (Baukörpertiefe) und der Hinterlandfläche. Die Beschreibung erfolgt im Jahresmarktbericht der jeweiligen Gutachterausschüsse und ist Bestandteil der Bodenrichtwertkarte.
 

Welche Daten fließen denn in den Bodenrichtwertrechner ein?

Der zonale Bodenrichtwert und die dazugehörige Baulandflächengröße sind Bestandteil des Bodenrichtwertrechners. Dazu gehören die Multiplikatoren, die es ermöglichen, den Bodenwert nach der vorhandenen Grundstücksfläche zu ermitteln. Diese Grundstücksfläche sowie die besonderen Grundstücksmerkmale sind vom Sachverständigen nachvollziehbar einzutragen.

 

Werden bei dem Bodenrichtwertrechner Abschläge aufgrund bestimmter Grundstücksgrößen berücksichtigt?

Ja, die im Bodenrichtwertrechner eingegebene Excel Datei berücksichtigt, abweichende Grundstücksgröße zur Baulandfläche mit Zu- und Abschlägen. Übergroße Flächen werden gesondert auf ihre Nutzbarkeit sachverständig geprüft und fließen als „besondere Grundstücksmerkmale“ in die Bodenbewertung ein. Die Bezeichnung „sachverständig“ gilt für die Beurteilung eines Problems mit Sachverstand.
 

Was passiert, wenn keine Daten vorhanden sind?

Die Daten werden unter anderem auch mit KI gezogen. Die KI wird, wenn es um die Berücksichtigung von Trends und Prognosen geht, gerne in die Gutachtertätigkeit der Gutachterausschüsse mit einbezogen. Dadurch erspart man Zeit und Arbeitsaufwand.
 

Wie sieht es mit den Grundstückstiefen aus, die in den Jahresmarktberichten festgelegt werden? Könnten diese auch bei der Bewertung direkt berücksichtigt werden?

Ja, die Berücksichtigung erfolgt automatisch durch die hinterlegte Exceldatei im Bodenrichtwertrechner.
 

Kann der Gutachterausschuss denn in die im Grundbuch enthaltenen Daten Einsicht nehmen?

Ja, die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse sind vernetzt mit

  • den Grundstücksdaten des Grundbuchamtes sowie den Besitzverhältnissen eingetragene Vorteile und Beschränkungen müssen individuell berücksichtigt werden
  • Flächengrößen und Nutzungsarten aus den Angaben des Katasteramtes sowie dem Ausdruck von Lageplänen über Boris NRW, die Einsichtnahme in die Akten des Bauordnungsamtes in deren Archiv
  • die Einsichtnahme in die vorbereitende und eventuell vorhandene und abgeschlossene Bauleitplanung (Flächennutzungspläne, Bebauungspläne usw.) über Boris NRW.
     

Gibt es Beispiele, wo Flächen vom Wert her unberücksichtigt bleiben?

Der zonale Bodenrichtwert bildet sich aus den ermittelten Werten der Kaufpreissammlung. Besondere Grundstücksmerkmale von öffentlichem Interesse wie zum Beispiel

  • Überschwemmungsflächen in flussnahen Gebieten
  • Bauflächen in nicht bebaubaren Steilhanglagen wie zum Beispiel Hangflächen in Steinbrüchen
  • nicht nutzbare Umlandflächen

können nur dann in den Bodenrichtwert mit einfließen, wenn sich diese Merkmale in den Kaufpreisen solcher Flächen signifikant niederschlagen. In der Vergangenheit bestimmten Angebot und Nachfrage, den Kaufpreis. Bedingt durch den Klimawandel müssen Überschwemmungsflächen neuen Bewertungskriterien zugeführt werden, insbesondere die Schadensversicherungen werden hierzu den nötigen Druck ausüben, um ein Umdenken einzuleiten und diese Flächen in Zukunft mit besonderen baulichen Auflagen oder als nicht bebaubar auszuweisen. Nicht bebaubare Steilhangflächen sollten im Bebauungsplan als „Nicht baulich nutzbar“ ausgewiesen werden, damit den Finanzämtern bei der Vermögensbewertung Richtlinien hierzu an die Hand gegeben werden können.
 

Unsere Erfahrung zeigt, dass bei der Erstellung der Grundsteuererklärung viele Fehler gemacht wurden. Es wurden oft Daten falsch eingegeben, die eigentlich bereits richtig vorlagen. Wäre es Ihrer Meinung nach möglich gewesen, die vorhandenen Werte aus den verschiedenen Quellen einfach automatisiert zu übernehmen?

Die Grundsteuerwerterklärung zum Bundesmodell basiert auf zwei Merkmalen:

  1. dem jeweiligen Grundstück von der Behörde vorgegebenen Bodenrichtwert
  2. dem Mietwert des Objektes nach bundesweit einheitlicher Vorgabe.

Grundsätzlich ist der zonale Bodenrichtwert nicht der Verkehrswert des zu besteuernden Grund und Bodens. Zur Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens belegten die Finanzämter auch die Flächen mit dem Bodenrichtwert, welche im Flächennutzungsplan als Baulandflächen gekennzeichnet wurden, aber wegen fehlender Baurechte zurzeit nicht bebaubar sind. Flächennutzungspläne haben keine rechtsverbindliche Aussage (wie es bei einem B-Plan der Fall ist) und können durch Ratsbeschluss dem Trend folgend zu jeder Zeit, ohne dass vom Eigentümer Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, in ihrer Nutzungsart geändert werden. Um im Vorfeld fehlerhafte Angaben im Ermittlungsverfahren zum Grundsteuermessbetrag auszuschließen, hätten diese Grundstücklagenermittlungen für jedes steuerpflichtige Grundstück von der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses durchgeführt werden müssen. Die Kompetenz sowie der hierzu notwendige Zeitraum von sieben Jahren war vorhanden, wurde jedoch nicht genutzt, weil der politische Auftrag dazu fehlte. Sämtliche hierzu notwendigen Unterlagen aus den vorbeschriebenen Ämtern konnten hier gebündelt und sachverständig verarbeitet werden. Entsprechend meiner Recherche war der hierzu benötigte Personalaufwand unerheblich beziehungsweise vertretbar. Entfallen, würde folgender Behördenaufwand:

  • die Bearbeitung der telefonischen und schriftlichen Anfragen sowie die Bitten um Auskünfte gerichtet von den Grundstückseigentümern an die Gutachterausschüsse und Finanzämter
  • ein ohne Fehlerquoten ermittelter Grundsteuermessbetrag erspart Widerspruchsverfahren sowie die Inanspruchnahme der Finanzgerichte.

Darauf habe ich in meiner Veröffentlichung in der DStZ (9/21) ausdrücklich hingewiesen.
 

Bestandteil der finalen Bewertung ist auch ein sogenannter Mindestwert. Was für ein Wert ist das und wie sind die 75 % zustande gekommen?

Hier handelt es sich um einen Kontrollwert, der von den Finanzämtern bei der Bewertung im vereinfachten Verfahren angewandt wird. Er würde bei einer qualifizierten Ermittlung des Grundsteuermessbetrages durch die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse, entfallen. Die Gutachterausschüsse gibt es bundesweit.
 

Sind die Arbeitsweisen der Gutachterausschüsse einheitlich, so dass davon ausgegangen werden kann, dass eine Vergleichbarkeit gegeben ist? Immerhin haben die festgelegten Werte für die Grundsteuerbewertung der verschiedenen Modelle eine hohe Relevanz.

Die Gutachterausschüsse der Gemeinden und Kreise bilden als übergeordnete Institution, den Obergutachterausschuss. Er ist das oberste Gremium aller Gutachterausschüsse eines Landes und bearbeitet überwiegend Widersprüche im Wertermittlungsverfahren. Insofern ist die Vereinheitlichung der Bewertungsmethode landesweit gewährleistet. Dieses kann auf ein Grundsteuermodell, welches einheitlich für die gesamte Bundesrepublik gilt, übertragen werden Eine solche Bewertungsmethode habe ich bereits im Jahre 2017 entwickelt und in der DSTZ9/21 veröffentlicht.

 

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