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Artikeldienst 11/2025
Keine Bekanntgabefiktion bei planmäßig ausbleibender Postzustellung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem Urteil vom 29. Juli 2025 (Az. VI R 6/23) entschieden, dass die gesetzliche Bekanntgabevermutung dann entkräftet ist, wenn innerhalb der Frist an mindestens zwei Tagen keine Post zugestellt und am dritten Tag nur die Post vom ersten zustellfreien Tag nachgeliefert wird. Die Entscheidung stellt eine Präzisierung zu den Voraussetzungen der sogenannten Bekanntgabefiktion dar. Das Urteil bezieht sich noch auf die alte Fiktion von drei Tagen. „Es ist daher zu beachten, dass seit dem 1. Januar 2025 die Zugangsfrist für die Bekanntgabevermutung von drei auf vier Tage verlängert wurde. Dies berücksichtigt die verlängerten Postlaufzeiten und verändert die Frist für die fiktive Bekanntgabe von Verwaltungsakten“, erläutert Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler.
Im zugrunde liegenden Fall hatte das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung einem privaten Postdienstleister übergeben, der jedoch im Gewerbegebiet des Prozessbevollmächtigten des Steuerzahlers nur von Dienstag bis Freitag zustellt. Das Finanzamt gab den Brief mit der Einspruchsentscheidung am Freitag, dem 28. Januar 2022, zweifelsfrei auf. Damit wäre dieser nach der Fiktion am 31. Januar 2022 zugegangen und wirksam geworden. Das Finanzgericht hatte die Klage des Steuerzahlers vom 3. März 2022 wegen Fristversäumnis abgewiesen. Der Steuerzahler argumentierte jedoch, dass die Einspruchsentscheidung erst am 3. Februar 2022 eingegangen sei und er die Klage fristwahrend eingelegt habe.
Die Beschwerde beim BFH war erfolgreich. Dieser hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Beurteilung zurück. Er stellte klar, dass die Voraussetzungen für eine Bekanntgabefiktion nur dann vorliegen, wenn ein typischer und zuverlässiger Geschäftsablauf der Postzustellung gegeben ist. Liegen jedoch erhebliche Zweifel an einer zeitnahen Zustellung vor – hier konkret durch die unregelmäßige Zustellung des beauftragten Postdienstleisters –, so ist die gesetzliche Vermutung entkräftet.
„Der Steuerzahler muss jedoch substantiiert darlegen, dass die Zustellung nicht innerhalb der Bekanntgabefrist erfolgte. Ein bloßes Bestreiten genügt nicht“, betont Daniela Karbe-Geßler. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Pflicht zu einem substantiierten Tatsachenvortrag nicht dazu führt, dass die gesetzlich vorgesehene Beweislast der Behörde unzulässig auf den Steuerzahler übergeht. Im vorliegenden Fall genügten die vorgelegten Umstände, dass keine Zustellung an den zustellfreien Tagen erfolgte, um die Bekanntgabefiktion zu entkräften. In Anbetracht der Sachlage war es für den Steuerzahler auch belanglos, dass sein Prozessbevollmächtigter im betreffenden Jahr weder ein Posteingangsbuch geführt noch den Briefumschlag der Einspruchsentscheidung aufbewahrt hatte. Der Briefumschlag konnte allenfalls als Nachweis für die Aufgabe der Einspruchsentscheidung dienen.
Die Entscheidung hat praktische Bedeutung für Steuerberater und Steuerzahler, die bei Zustellung durch private Postdienstleister künftig genau prüfen sollten, ob die Postlaufzeiten die gesetzliche Bekanntgabevermutung stützen – insbesondere, wenn Zustellungen an bestimmten Tagen systematisch ausfallen. „Das Urteil verdeutlicht, dass die Bekanntgabevermutung bei strukturell beeinträchtigter Postzustellung nicht automatisch greift, und stärkt das Recht von Steuerzahlern auf tatsächlichen Zugang in einer nachvollziehbaren Frist“, informiert Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler.
Die Ratgeber Nr. 9 „Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Vollstreckungsaufschub“ und Nr. 10 „Rechtsbehelfe im Besteuerungsverfahren“ bieten zahlreiche nützliche Tipps, um Probleme
mit dem Finanzamt zu lösen. Diese und weitere Materialien sind für Mitglieder online unter https://steuerzahler.de/ratgeber/ abrufbar oder können telefonisch unter 089 126008-98 bestellt werden.
Verantwortlich: Klaus Grieshaber
München, 18.11.2025
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