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Große Koalition im Saarland missbraucht die Schuldenbremse

Bund der Steuerzahler Saarland e. V. / Presseinformation 10.09.2020, Christoph Walter

Ende Juni hat der saarländische Landtag den Nachtragshaushalt 2020 beschlossen. Aufgrund der Corona-Krise sollen die Schuldenbremse ausgesetzt und vielfältige neue Maßnahmen und Projekte per Kredit finanziert werden. Insgesamt beläuft sich die Rekord-Neuverschuldung auf 2,1 Milliarden Euro. Der BdSt Saarland kritisiert die geplanten Änderungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2020 scharf.

Der saarländische Landtag hat im Juni über den Nachtragshaushalt 2020 abgestimmt und diesem zugestimmt – aber da die regierende Große Koalition aus CDU und SPD im Landtag rund 80 Prozent der Sitze umfasst, war nichts anderes zu erwarten. Doch zunächst musste in der Plenarsitzung festgestellt werden, dass es sich bei der Corona-Pandemie um eine außergewöhnliche Notsituation handelt. Dieser formale Akt war die Voraussetzung, um die Schuldenbremse auszusetzen und den Weg für eine umfangreiche Kreditaufnahme zu ebnen.

Das Maßnahmenpaket umfasst eine Rekord-Neuverschuldung von 2,1 Milliarden Euro, um – so die offizielle Begründung – „die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen.“ Haushaltsrechtlich wird dies durch das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „zur Bewältigung der finanziellen Folgen der Covid-19-Pandemie“ mit einer Kreditermächtigung von 1,4 Milliarden Euro und durch das Nachtragshaushaltsgesetz 2020 mit einer Kreditermächtigung von 671 Millionen Euro ermöglicht.

Denn durch die Corona-Pandemie liegt eine Notsituation vor, die das Land zwingt, jetzt neue Schulden zu machen, um den Schaden für die Menschen und die Wirtschaft zu minimieren. Das entspricht auch durchaus dem Geist der Schuldenbremse, für die sich der Bund der Steuerzahler im Saarland immer eingesetzt hat. Die Entscheidung der Landesregierung, die pandemiebedingten Ausgaben und Steuermindereinnahmen durch ein Aussetzen der Schuldenbremse über Kredite zu finanzieren, war und ist aus unserer Sicht vom Grundsatz her richtig.

Zweckentfremdung der Corona-Schulden

ABER: Es ist erkennbar, dass bei zahlreichen geplanten Ausgaben für 2020 kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Pandemie besteht! So wird beispielsweise aus Mitteln des Covid-19-Sondervermögens ein Sondervermögen „Krankenhausfonds“ gespeist, um offensichtlich die chronische Unterfinanzierung der saarländischen Krankenhäuser der letzten Jahre aufzuholen. Hierfür werden Mittel von insgesamt 125 Millionen Euro bereitgestellt, die verteilt von 2020 bis 2022 fließen sollen. Neben der Zweckentfremdung der Corona-Schulden ist das auch ein klarer Bruch des Jährlichkeitsprinzips.

Es steht außer Frage, dass den Krankenhäusern in Pandemiezeiten eine besondere Bedeutung für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zukommt. Dennoch war seit dem Ausbruch der Pandemie eine Überbelastung der saarländischen Krankenhäuser nicht feststellbar. Sogar das Gegenteil war der Fall, weil viele Patienten geplante Klinikaufenthalte wegen der Infektionsgefahr verschoben hatten.

Insofern wird nun die Pandemie in den Vordergrund geschoben, um die Gelegenheit zu nutzen, längst fällige Ausgaben mit Krediten zu finanzieren. Es wird sogar gezielt versucht, mit diesen Geldern schon lange bestehende Missstände und Versäumnisse – wie z.B. die dringend notwendige und überfällige Neuordnung der saarländischen Krankenhauslandschaft – zu vertuschen.

In diesem Zusammenhang muss auch § 1 Nr. 5 des Nachtragshaushaltsgesetz 2020 erwähnt werden. Hier verzichtet das Land auf Forderungen gegenüber dem Universitätsklinikum von 110 Millionen Euro! Da der Gesetzgeber anscheinend selbst Zweifel wegen eines Verstoßes gegen beihilferechtliche Vorschriften hat, wurde ein entsprechender Vorbehalt gleich mit ins Gesetz aufgenommen.

Auch Wissenschaft und Forschung im Saarland werden natürlich bei der Verteilung nicht vergessen. Hier werden für das Leuchtturmprojekt CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit gGmbH insgesamt 50 Millionen Euro für Mietkosten der Jahre 2021 - 2025 bereitgestellt – auch wenn der direkte Bezug zur Corona-Krise freilich fehlt.

 Und selbstverständlich dürfen beim großzügigen Schluck aus der Schuldenpulle auch die verschiedenen Ministerien nicht vergessen werden:

  • Das Finanzministerium und das Finanzamt Saarbrücken Am Stadtgraben sind sanierungsbedürftig – und das nicht erst seit Corona. Ein Umzug in ein Ersatzquartier ist notwendig. Die Kosten für dessen Anmietung belaufen sich auf rd. 14 Millionen Euro und werden in den pandemiebedingten Nachtragshaushalt 2020 eingerechnet und somit kreditfinanziert.
  • Laut Nachtragshaushalt gibt die Staatskanzlei 7 Millionen Euro für ein digitales Serviceportal und ein elektronisches Akten- und Archivierungssystem sowie 5 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte aus. Allesamt staatliche Daueraufgaben.
  • Dem Beispiel schließt sich das Ministerium für Finanzen und Europa an und gibt mehr als 3,6 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte aus, für die kein Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erkennbar ist.
  • Mit 40 Millionen Euro beziffert das Bildungsministerium den Zusatzbedarf an Schüler-PCs, wobei über das Bund-Länder-Projekt „Digitalpakt Schule“ bereits ein Gesamtinvestitionsvolumen von 67 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wird.
  • Unter dem Stichwort moderne Mobilität veranschlagt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Ausgaben von 10 Millionen Euro u.a. für Digitalisierungsprojekte, Modernisierung des ÖPNV, innovative Mobilitätsformen und Infrastrukturmaßnahmen für nachhaltige Mobilität.
  • Für den Gigabitausbau im Saarland werden 50 Mio. Euro von der Landesregierung einkalkuliert.

Zwar steht die Finanzierung der pandemiebedingten Ausgaben und Steuermindereinnahmen im Vordergrund, aber die hier zitierten pandemie-fremden Ausgaben und Mindereinnahmen im Nachtragshaushalt 2020 summieren sich schon auf mehr als 400 Millionen Euro. Die Große Koalition pumpt also den aktuellen Haushalt mit Schulden voll, um dann jahrelang satt über die Runden zu kommen. Das stellt nicht nur eine klare Zweckentfremdung der Corona-Schulden dar – das ist aus unserer Sicht schlicht verfassungswidrig!

Wo kein Kläger, da kein Richter

Die gerichtliche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes erfolgt über ein Normenkontrollverfahren, für das der Saarländische Verfassungsgerichtshof zuständig ist.
Die Antragsbefugnis ergibt sich aus § 43 VerfGHG. Demnach sind die Landesregierung oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Landtages befugt, beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Normenkontrollantrag zu stellen.

Allerdings ist angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nicht anzunehmen, dass sich das erforderliche Drittel der Landtagsabgeordneten finden lässt. Denn dazu müssten schon eine ganze Reihe der Abgeordneten der Großen Koalition ihrer Regierung die Gefolgschaft verweigern. Und die Regierung selber käme freilich auch nicht auf die Idee, einen Normenkontrollantrag in die Wege zu leiten, der das eigene Fehlverhalten bestätigen könnte.

Insofern zeigt sich im Nachtragshaushalt, wie undemokratisch sich unser Regierungssystem in Zeiten einer Großen Koalition mit üppiger Mehrheit darstellt. Selbst offenkundig verfassungswidrige Maßnahmen können schulterzuckend beschlossen werden, weil letztlich der Grundsatz gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Aus diesem Grunde hat der BdSt Saarland beim Staatsrechtler Prof. Dr. Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 auf den Prüfstand stellt.
Prof. Gröpl hat bereits in einem Rechtsgutachten für den BdSt Deutschland dem Corona-Nachtragshaushalt der Bundesregierung mehrere schwerwiegende verfassungsrechtliche Mängel bescheinigt.

Doppelhaushalt 2021/2022 mit noch mehr Schulden?

Ist der Nachtragshaushalt 2020 womöglich nur ein einmaliger Ausrutscher der Großen Koalition? Wohl leider nicht – das lassen schon die Eckpunkte des Doppelhaushaltes 2021/2022 befürchten, die bisher durchgesickert sind. Die politische Masche ist dieselbe: Unter Berufung auf die Krisensituation soll die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt und eine Fülle von pandemiefremden Ausgaben in die Kreditfinanzierung miteingepackt werden.

Folgendes ist bereits öffentlich geworden:

  • Das Bildungsministerium verzichtet auf den Abbau von 226 Lehrkräften und schafft zusätzlich 125 neue Stellen.
  • In der Polizei, dem Verfassungs- und Staatsschutz werden weitere 32 Stellen geschaffen.
  • Die Justiz bekommt 73 neue Stellen.
  • In der Staatskanzlei wird eine Stabsstelle Digitalisierung mit 7 neuen Stellen eingerichtet.
  • Für die Tarifreform im ÖPNV werden 2021 und 2022 jeweils 10 Millionen Euro bereitgestellt.
  • Für das neue Messe- und Kongresszentrum in Saarbrücken werden 40 Millionen Euro eingeplant.
  • Für 20 Millionen Euro wird ein neuer Innovation-Campus an der Uni eingerichtet.
  • Mit 65 Millionen Euro wird ein Masterplan Industrieflächen im Saarland gefördert.

Im Ergebnis plant die Landesregierung für 2021 bislang eine Nettokreditaufnahme von 431 Millionen Euro und für 2022 eine von 371 Millionen Euro. Dabei wird die Verschuldung wieder zu einem guten Teil durch staatliche Daueraufgaben verursacht – speziell durch den Stellenaufwuchs mit langfristigen Kosten. Bis Ende 2022 werden unter Berücksichtigung weiterer Projekte (u.a. der Saarlandpakt, der den Kommunen eine Milliarde Euro an Kassenkredite abnimmt) die Landesschulden auf rd. 17 Milliarden Euro ansteigen! Wohlgemerkt für ein Bundesland mit nur rund einer Million Einwohner.

BdSt-Fazit:

Der Corona-Nachtragshaushalt der Großen Koalition mit seiner Rekord-Verschuldung ist nicht nur in vielen Teilen ein Etikettenschwindel, sondern auch verfassungswidrig. Insofern sollte sich die Neuverschuldung ausschließlich auf unabwendbare Notmaßnahmen im direkten Zusammenhang mit der Krise konzentrieren. Davon unabhängige Staatsaufgaben und politische Prestige-Projekte müssen aus dem laufenden Etat finanziert werden. Andernfalls läuft die Schuldenbremse völlig ins Leere.

Man mag es heute kaum glauben, aber es wird auch eine Zeit nach Corona geben. Doch aufgrund der geplanten Tilgungsdauer von 30 Jahren werden die Steuerzahler noch sehr lange für die Corona-Schulden herhalten müssen. Sollte zudem das unselige Schuldenmodell der Großen Koalition die Blaupause für die Zukunft sein, so würde für jede künftige Krise ein weiteres „Sondervermögen“ hinzukommen und künftige Generationen schlicht erdrücken. Wobei „Sondervermögen“ ohnehin ein euphemistischer Ausdruck ist, denn im Grunde sind es ausgelagerte Schulden.

Die Landesregierung wäre gut beraten, sich auf die Nach-Corona-Zeit vorzubereiten und die Haushalte auf Sparkurs zu trimmen. Bereits die formell ausgeglichenen Landeshaushalte vor Corona waren auf Kante genäht und durch vielfältige Unterfinanzierungen erkauft worden. Doch wenn jetzt nicht mit Vernunft die Ausgabenwut gezügelt wird, wird es den Verantwortlichen nicht mehr gelingen, im Rahmen der Schuldenbremse einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. 

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