Die Fraktionen im Bundestag als auch in den Länderparlamenten gelten verfassungsrechtlich als Teil der organisierten Staatlichkeit. Das ist der Grund, weshalb ihnen Zuschüsse aus dem Staatshaushalt zustehen. In der Praxis erhalten sie eine Vollfinanzierung. Dabei geht es um stattliche Summen, immerhin erhalten die Bundestagsfraktionen derzeit mehr als rund 140 Mio. Euro vom Steuerzahler – pro Jahr. Ein kritischer Blick auf die Grundsätze der Fraktionsfinanzierung ist daher angebracht!
Satte Überfinanzierung
Die Bestimmungen und gesetzlichen Regelungen zur Höhe sowie zur jährlichen, automatischen Anhebung der Steuerzuschüsse an die Fraktionen sind im Abgeordnetengesetz geregelt, allerdings nur sehr pauschal in wenigen Absätzen.
Seit langem kritisiert der BdSt, dass klare und nachvollziehbare Bestimmungen zur Ermittlung des wirklich notwendigen Finanzbedarfs der Fraktionen nicht existieren. Diese halten wir jedoch für zwingend erforderlich. Schließlich werden die Fraktionen überfinanziert: Sie erhalten mehr Geld vom Staat, als für die laufende Finanzierung ihres Personals und des Geschäftsbetriebs nötig ist. Ein offensichtliches Indiz dafür ist, dass die Fraktionen über allgemeine Rücklagen und Geldbestände in Millionenhöhe verfügen. Über diese Mittel können sie frei bestimmen. Ob PR-Kampagnen, Fraktionsfeste oder spezielle Beschaffungen: Eine gesetzliche Pflicht zur Bildung von konkreten und zweckgebundenen Rücklagen gibt es leider nicht. Überdies können die Fraktionen beispielsweise Büros, PCs und die Bundestags-IT als sogenannte Sachleistungen kostenlos nutzen. Auch diese vom Steuerzahler finanzierte Infrastruktur ist eigentlich bei einer korrekten Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.
Grenzwertige PR-Arbeit
Besonders auffällig sind die Aktivitäten in der Öffentlichkeitsarbeit. Verfassungsgemäß dürfen die Fraktionen die Bürger über ihre Parlamentsarbeit informieren. Leider muss der BdSt aber immer wieder feststellen, dass ausschweifende PR-Kampagnen auf die Beine gestellt werden, die diese Maßgabe unterwandern, da die Aktivitäten kaum einen Bezug zur Parlamentsarbeit aufweisen. Die Kampagnen sind so gestaltet, dass die Bürger den transportierten Inhalt direkt einer Partei zuordnen, nicht aber der entsprechenden Fraktion. Folglich werden die üppigen Staatsgelder dazu genutzt, um Parteienwerbung zu betreiben – dies ist den Fraktionen allerdings verfassungsrechtlich untersagt.
Bedenkliche Extradiäten
Noch wesentlich brisanter sind die Fraktionsausgaben für bestimmte Abgeordnete mit Führungsaufgaben, die sogenannte Funktionszulagen erhalten. Solche Extradiäten gewähren die Fraktionen beispielsweise ihren Vorsitzenden, Geschäftsführern und Fachsprechern. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dürfen diese Zulagen aber nur einem engen Abgeordnetenkreis zukommen – und zwar ausschließlich dem Parlamentspräsidenten, dessen Stellvertreter sowie den Fraktionsvorsitzenden –, um nicht gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten zu verstoßen. Diese Sichtweise der Verfassungshüter kümmert die Fraktionen aber wenig. Unisono zahlen sie bestimmten Abgeordneten Extradiäten in Höhe von über 4 Mio. Euro pro Jahr.
Gebremste Kontrolle
Auch die öffentliche Kontrolle der Fraktionsfinanzierung wird ausgebremst – dies ist politisch gewollt. Zwar müssen die Bundestagsfraktionen ihre Jahresabschlüsse und Vermögenswerte offenlegen, doch erfolgt dies stets mit einer sehr großen Zeitverzögerung und dann auch nur in Form einer sehr groben Bilanz. Auch vom grundsätzlich umfangreichen Prüfrecht des Bundesrechnungshofs für alle Ausgaben auf Bundesebene haben sich die Fraktionen ausgenommen. Sie wollen sich von den kritischen Prüfern nicht zu sehr in die Karten schauen lassen. Klar, dass der BdSt das anders sieht: Den Rechnungshöfen ist mit Blick auf die Verwendung der Fraktionsfinanzen ein uneingeschränktes Prüfungsrecht einzuräumen. Zudem sollten die wesentlichen Ergebnisse der Rechnungshofprüfungen veröffentlicht werden.
Kassensturz notwendig
Das Resümee des BdSt: Die Fraktionen erhalten mehr Geld vom Staat, als sie zum ordentlichen Wirtschaften benötigen. Daher fordert der Verband seit Jahren einen Kassensturz der Fraktionen, um eine genaue Analyse des wirklich notwendigen Finanzbedarfs zu ermöglichen – nicht nur auf Bundesebene, sondern ebenso in den 16 Ländern. Inzwischen haben sich viele Rechnungshöfe der BdSt-Kritik angeschlossen und bemängeln die hohen Zuschüsse: So geißelten die staatlichen Prüfer in der Vergangenheit einige Anhebungen von Fraktionsgeldern als weder notwendig noch angemessen, da schlichtweg keine nachvollziehbaren und zulässigen Gründe erkennbar waren.