Grundsteuerreform: „Das ist die teuerste und schlechteste Lösung“
Besser spät als nie
Steuerzahlerbund zum Ampel-Koalitionsvertrag
Keine Entlastungen für die Bürger, unklare Finanzierung neuer Projekte
Rheinland-Pfalz wird zum zweiten Mal von einer Ampel-Koalition regiert. Auf vielen Seiten des umfangreichen Vertragswerkes finden sich Vorhaben und Bereiche, in denen die Ampel neu, verstärkt, engagierter oder besser tätig werden will. Allerdings bleiben die Mehrkosten und deren Finanzierung vielfach ungewiss. Ebenso diffus bleiben künftige Sparmaßnahmen und die Rückführung der Corona-Schulden. Dagegen wird die Ampel-Koalition bei Steuern und Abgaben deutlich: Entlastungen für die Bürger gibt es wieder nicht.
Die Positionen des BdSt Rheinland-Pfalz im Einzelnen zu folgenden wichtigen Themenbereichen des neuen Ampel-Koalitionsvertrages:
1. Landeshaushalt und Einhaltung der Schuldenbremse
Die neue Ampel-Koalition bekennt sich zur Einhaltung der Schuldenbremse und stellt alle im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben unter einen Finanzierungsvorbehalt. Damit sollen sich neue Maßnahmen nur umsetzen lassen, wenn die dazu notwendigen Mittel durch Entlastungen im Haushalt erwirtschaftet werden. Der Steuerzahlerbund begrüßt diese wichtige Zielsetzung und fordert deren strikte Einhaltung durch die Koalitionspartner. Nur in diesem Rahmen können neue Projekte umgesetzt werden.
Allerdings werden keine konkreten Sparprojekte im Koalitionsvertrag genannt. Ebenso bleibt offen, wann die neue Ampel-Koalition mit dem Abbau der Corona-Schulden beginnen will und wie mit den umstrittenen schuldenfinanzierten Ausgaben ohne Corona-Bezug umgegangen werden soll. Der Steuerzahlerbund hätte sich hier ein klares Bekenntnis zum forcierten Schuldenabbau gewünscht.
2. Steuern und Abgaben
Erneut müssen die Steuerzahler feststellen, dass die Ampel-Koalition zu keinen finanziellen Entlastungen bereit ist – im Zweifel soll es eher einen tieferen Griff in die Brieftasche geben.
So wird die Grunderwerbsteuer nicht gesenkt, obwohl sie selbst in Corona-Zeiten aufgrund gestiegener Immobilienpreise neue Einnahmerekorde gebrochen hat. Die Straßenausbaubeiträge bleiben als wiederkehrende Beiträge erhalten, obgleich selbst der wissenschaftliche Dienst des Landtages unmissverständlich zum Ergebnis kam, dass deren Gesamtbelastung für die Bürger weit höher ausfällt als selbst bei einmaligen Ausbaubeiträgen. Bei der Grundsteuerreform soll das sog. Scholz-Modell zum Einsatz kommen, obgleich es in der Umsetzung sehr bürokratisch ist und automatische Steuererhöhungen beinhaltet. Insofern wird die neue Ampel-Koalition die Problematik des teuren Wohnens verschlimmern.
3. Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuergeldverschwendung
Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung ist wichtig und notwendig. Wenn die Landesregierung hierbei die eigene Finanzverwaltung verbessern und Gesetze zum Schließen von Schlupflöchern im Bundesrat mittragen will, so kann der Steuerzahlerbund dies nur begrüßen.
Doch die andere Seite der Medaille ist der Kampf gegen Steuergeldverschwendung. Dazu findet sich im Koalitionsvertrag kein einziges Wort, obwohl gerade Rheinland-Pfalz aufgrund seiner vielen Pleiten-, Pech- und Pannenprojekte eine unrühmliche Vergangenheit hat. Hier wird der Bund der Steuerzahler den Kampf gegen die Verschwendung für die Bürger führen.
4. Kommunale Finanzen und Gebietsreform
Die Kommunen in Rheinland-Pfalz sind rund 15 Jahre lang Opfer verfassungswidriger Finanzausgleiche geworden, die zu einer im bundesweiten Vergleich extrem hohen Kommunalverschuldung geführt haben. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, einen bedarfsgerechten Finanzausgleich zu entwickeln, der sich klar an den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes orientiert, ist daher eine rechtliche Selbstverständlichkeit. Die Kommunen können sich hier keine weiteren Tricksereien der Landesregierung leisten.
Die Forderung der Ampel-Koalition nach einer Bundesbeteiligung bei der Lösung des Altschuldenproblems lehnt der Steuerzahlerbund ab. Kommunen sind Ländersache. Auch kann der Bund nichts dafür, wenn SPD-geführte Landesregierungen die Kommunen in Rheinland-Pfalz viel zu lange unterfinanziert haben. Andere Länder wie z.B. Hessen und das Saarland haben für ihre Kommunen ohne Hilfe des Bundes große Entschuldungsprogramme aufgelegt. In den süddeutschen Kommunen gibt es wiederum zumeist kein akutes Schuldenproblem. Insofern sollte die Ampel-Koalition die Lösung des Altschuldenproblems hierzulande nicht solange vertagen, bis der Bund sich – warum auch immer – beteiligt. Die politische Verantwortung dafür liegt in Mainz, nicht in Berlin.
Doch mehr Landesgeld allein wird das Problem unserer Kommunen nicht lösen. Rheinland-Pfalz hat mit über 2.400 Kommunen die kleingliedrigste Kommunalstruktur in Deutschland. Es wird endlich Zeit, eine große kommunale Flurbereinigung vorzunehmen, um starke wie kosteneffiziente Verwaltungsstrukturen zu schaffen. Gutachten und Vorschläge dazu sind längst erstellt und liegen dem Landtag wie der Landesregierung vor. Doch die Ampel-Koalition bleibt bei diesem Thema im Koalitionsvertrag wieder nebulös.
5. Landespersonal
Die Personalausgaben im Landeshaushalt liegen bei rund 40 Prozent. Gerade in diesem Bereich wird sich der Erfolg oder Misserfolg der künftigen Haushaltskonsolidierung entscheiden. Laut Koalitionsvertrag soll der Personalbestand in der Landesverwaltung trotz vielfältiger Digitalisierungsmaßnahmen in den nächsten Jahren weitgehend konstant bleiben. Das ist dem Steuerzahlerbund unverständlich, da die Digitalisierung eigentlich zu einer effizienteren Verwaltung und zu einem reduzierten Personalbedarf führen sollte.
Größter Sprengsatz im Landeshaushalt bleibt die extreme Entwicklung der Beamtenpensionen. Im Jahr 2020 lagen die Versorgungsausgaben bereits bei 2,6 Milliarden Euro – weit mehr als z.B. für Investitionen. Bis 2023 werden es laut Schätzung des Landes sogar rund drei Milliarden Euro sein. Dennoch wird die nötige Reform der Beamtenversorgung im Koalitionsvertrag komplett ausgeblendet. Dazu sollte als erster Schritt eine Expertenkommission einberufen werden. Zentrale Reformpunkte dürften der Einbezug eines Nachhaltigkeitsfaktors in die Pensionskalkulation und das schrittweise Abschmelzen des Höchstruhegehaltssatzes sein.
6. Verkehr und Infrastruktur
Trotz gestiegener Ausgaben zum Erhalt der Landesstraßen hat der Landesrechnungshof in 2021 festgestellt, dass der Sanierungsstau weiter zugenommen hat und bei rund einer Milliarde Euro liegt. Auch der Steuerzahlerbund hat wiederholt höhere Investitionen angemahnt. Denn Landesstraßen durch unzureichende Investitionen verkommen zu lassen, stellt keine kluge Sparmaßnahme dar, sondern eine versteckte Verschuldung. Schließlich können nötige Sanierungen nur zeitlich verzögert, nicht aber komplett umgangen werden. Je länger das Land wartet, desto teurer wird es dann. Im Koalitionsvertrag ist das Thema Erhalt der Landesstraßen diffus geblieben.
Die im Koalitionsvertrag bekräftigte Reaktivierung der Hunsrückbahn zur Verbindung des Rhein-Main-Gebietes mit dem Flughafen Hahn wäre eine völlige Fehlinvestition. Nicht nur, dass die Bahn wegen des nachhaltigen Einbruchs der Passagierzahlen am Hahn ihre ursprüngliche Zweckmäßigkeit verloren hat – mit der geplanten Streckenführung wäre selbst der Bus zwischen Mainz und dem Flughafen immer noch schneller. Insofern mangelt es der Hunsrückbahn auch an Attraktivität. Die zuletzt kalkulierten Investitionskosten für die Hunsrückbahn lagen bei etwa 104 Millionen Euro – eine Schätzung zum Preisstand von 2010!
Die angekündigte Einführung eines 365-Euro-Tickets lehnt der Steuerzahlerbund ab. Anstatt die ohnehin rabattierten Ticketpreise einzelner Gruppen mit zusätzlichen Millionenbeträgen zu subventionieren, sollte das Steuergeld besser in den Ausbau des Nahverkehrs investiert werden. Im Koalitionsvertrag wird wohlweislich die Kostenfrage ausgeblendet. Allerdings erinnert der BdSt daran, dass laut dem Verkehrsministerium die zusätzlichen Landeskosten alleine zugunsten der Schüler bei rund 60 Millionen Euro pro Jahr liegen würden. In Vergangenheit hatte die Ampel-Regierung das 365-Euro-Ticket abgelehnt, weil Schüler und Azubis selten regelmäßig über das Gebiet ihres Verkehrsverbunds unterwegs sind.
Dagegen wird der forcierte Ausbau der digitalen Infrastruktur begrüßt. Einen verstärkten Breitbandausbau hält der Steuerzahlerbund in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft gleichfalls für sinnvoll. Mehr Tempo ist in Rheinland-Pfalz dringend erforderlich.