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Die öffentliche Verschwendung 2018/2019 - Sieben Schwarzbuch-Fälle aus Rheinland-Pfalz

Presseinformation 06.11.2018

Das neue Schwarzbuch ist da. Über 100 gravierende Fälle aus ganz Deutschland dokumentieren beispielhaft den verschwenderischen Umgang mit Steuergeld. Dieses Mal liegt der Fokus auf dem Thema „Explosion von Baukosten“. Doch ebenso finden sich Fälle von unsinnigen Fehlplanungen, teuren Fehlern, chaotischem Controlling und vieles mehr. Rheinland-Pfalz ist dieses Jahr mit sieben Fällen dabei – das Land mit vier Fällen, die Kommunen mit drei Fällen.

1. Zwangshochzeiten können teuer enden (Land Rheinland-Pfalz)

Das Land Rheinland-Pfalz setzt seit 2010 eine dringend nötige Gebietsreform um. Allerdings wehrte sich die Verbandsgemeinde Maikammer gegen die verordnete Zwangsfusion mit dem Nachbarn Edenkoben. Da Rheinland-Pfalz in diesem Fall gegen sein eigenes Kommunalreformgesetz verstoßen hatte, bekam Maikammer vor Gericht letztlich Recht. Die gefloppte Fusion kostete die Steuerzahler fast 3 Mio. Euro.

Rheinland-Pfalz. Mit über 140 Verbandsgemeinden und mehr als 2.200 Ortsgemeinden ist die kommunale Landschaft in Rheinland-Pfalz äußerst kleinteilig strukturiert. Durch eine Gebietsreform sollen die Kommunen größer und zukunftsfähiger werden. Dafür

wurde vom Land im Jahr 2010 ein Gesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform verabschiedet, welches die Grundsätze regelt. Danach sollen Verbandsgemeinden mit weniger als 12.000 Einwohnern in eine andere Verbandsgemeinde eingegliedert werden. Davon ausgenommen sind aber Verbandsgemeinden, die u. a. langfristig finanziell tragfähige Strukturen aufweisen. Ausnahmen von den Ausnahmen gibt es wiederum nicht.

Die Verbandsgemeinde Maikammer in der Südpfalz zählt nur rund 8.000 Einwohner. Zwar attestierte Rheinland-Pfalz der Verbandsgemeinde langfristig finanziell tragfähige Strukturen, gleichwohl befand es, dass Maikammer zu wenig Einwohner habe. Deswegen wurde im Jahr 2013 ein separates Fusionsgesetz beschlossen, durch das Maikammer in die benachbarte Verbandsgemeinde Edenkoben eingegliedert wurde. Mitte 2014 wurde die kommunale Zwangshochzeit vollzogen.

Kurz zuvor reichte Maikammer aber Klage beim Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz ein, um die Nichtigkeit der Fusion zu erwirken. Ein Jahr später urteilte der Verfassungsgerichtshof zugunsten  Maikammers. Dabei verwies das hohe Gericht u. a. darauf, dass Maikammer langfristig finanziell tragfähige Strukturen aufweise und für die Verbandsgemeinde die Ausnahmeregelung des Kommunalreformgesetzes gelte. Die Fusion verletze sogar die kommunale Selbstverwaltungsgarantie.

Nachfragen des Steuerzahlerbundes bei den Verbandsgemeinden ergaben, dass die gescheiterte Zwangsfusion und deren Rückabwicklung die Steuerzahler teuer zu stehen kam: In Maikammer fielen Sach-, Personal- und Verfahrenskosten von rund 1,1 Mio. Euro an, in Edenkoben lagen die Gesamtkosten sogar bei etwa 1,6 Mio. Euro. Einen schlanken Fuß hat sich hingegen das Land Rheinland-Pfalz gemacht. Erst im November 2017 wurde eine Regelung für den finanziellen Ausgleich erzielt. Zur Abgeltung etwaiger Ansprüche aus der geplatzten Fusion zahlte das Land der Verbandsgemeinde Edenkoben einen Pauschalbetrag von 180.000 Euro und an Maikammer sogar nur 100.000 Euro. Für die Verfahrenskosten bekam Maikammer zusätzlich rund 10.000 Euro vom Land erstattet.

Der BdSt meint:

Die Gebietsreform in Rheinland-Pfalz ist als solche richtig und wichtig. Allerdings sollte es doch wohl eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich das Land hierbei an seine eigene Gesetzgebung hält. Die angeordnete und mittlerweile rückabgewickelte Zwangsfusion zwischen Maikammer und Edenkoben war ein vermeidbarer Fehler. Ebenso vermeidbar war die Verschwendung von 3 Mio. Euro für diesen grandiosen Flop.

 

2. Sanieren bis die Polizei kommt (Land Rheinland-Pfalz)

Bei der laufenden Sanierung eines rund 150 Jahre alten Polizeigebäudes in Idar-Oberstein explodieren die Kosten, weil der Gebäudezustand zuvor nicht ausreichend untersucht worden war. Die Baukosten erhöhen sich von 3 auf 7 Mio. Euro und fallen damit höher aus, als ein Neubau gekostet hätte.

Idar-Oberstein. Deutschlandweit ist Idar-Oberstein als Edelsteinstadt bekannt. Das lokale Dienstgebäude der Polizei- und Kriminalinspektion kann jedoch nicht wirklich als architektonisches Juwel bezeichnet werden. Das Polizeigebäude wurde um 1870 errichtet, erhielt bis 1975 einige Anbauten und wurde zuletzt 1994 saniert. Im Jahr 2014 sollten dann laut dem zuständigen rheinland-pfälzischen Landesbetrieb Liegenschaft- und Baubetreuung „kleine, örtlich sehr begrenzte Eingriffe“ zur Sanierung vorgenommen werden. Allerdings wurde im Vorfeld auf eine detaillierte Analyse des Gebäudezustands verzichtet, um den polizeilichen Dienstbetrieb so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.

Die Polizei zog aus und die Bauarbeiten begannen. Schnell zeigte sich, dass der bauliche Zustand des Gebäudes erheblich schlimmer war als angenommen. So musste z. B. die Statik ertüchtigt, zahlreiche Holzbalkendecken durch Betondecken ersetzt und die Innenraumarbeiten erweitert werden. Ursprünglich hätten die Bauarbeiten im Herbst 2016 abgeschlossen werden und rund 3,1 Mio. Euro kosten sollen. Doch daraus wurde nichts. Mittlerweile ist die Fertigstellung für den Sommer 2019 geplant und die Baukosten sollen bei 6,9 Mio. Euro liegen. Dazu kommen Miet- und Umbaukosten für die Ausweichquartiere von mehr als 620.000 Euro.

Zum Vergleich: Ein moderner Neubau hätte mehr als 6 Mio. Euro gekostet. Vom Land Rheinland-Pfalz wurde dies seinerzeit als weniger wirtschaftliche Lösung verworfen. So kann man sich irren.

Der Bund der Steuerzahler meint:

Es überrascht doch sehr, dass ein altes Gebäude – teils aus Kaisers Zeiten – ohne hinreichende Prüfung von Zustand und Statik saniert werden sollte. Keine Überraschung ist daher die extreme Kostenexplosion. Gewiss war es gut gemeint, den Polizeibetrieb nicht unnötig stören zu wollen – dafür sitzen die Polizisten nun jahrelang in Ausweichquartieren. Ebenso stellt sich die Frage, warum ein Neubau nicht einmal dann ernsthaft in Betracht gezogen wurde, als die Kostenexplosion absehbar wurde. Sanieren um jeden Preis kann für die Steuerzahler nur zum Fiasko werden.

 

3.Pension zu verschenken (Land Rheinland-Pfalz)

Erst Staatssekretär, dann Oberbürgermeister – das kommt vor. Im Fall der Stadt Koblenz wurde der damalige rheinland-pfälzische Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig jedoch kurz vor dem Jobwechsel in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Durch diesen Trick wurde ihm eine Zusatzpension aus der Landeskasse gewährt und der Großteil der späteren Pensionslasten auf Koblenz abgewälzt. Während die Landesregierung sich keiner Schuld bewusst ist, prüft Koblenz eine Klage.

Koblenz. Wer wechselt schon gern den Job, um weniger zu verdienen? Als der rheinland-pfälzische Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig seinerzeit vor der Entscheidung stand, für das Amt als Oberbürgermeister (OB) von Koblenz zu kandidieren, dürfte ihm klar gewesen sein, dass damit ein finanzieller Abstieg verbunden ist. Doch er kandidierte und gewann die Wahl. Die Ernennung zum Oberbürgermeister erfolgte im April 2010. Unter normalen Umständen wäre Hofmann-Göttig damit ohne Sondervergünstigungen aus dem Landesdienst ausgeschieden. Allerdings wurde er als Staatssekretär wenige Tage vorher vom damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eine rechtlich unnötige Entscheidung, deren ganze finanzielle Tragweite erst Jahre später öffentlich wurde.

Aufgrund der Versetzung in den Ruhestand erhielt Hofmann-Göttig zusätzlich zu seinen OB-Bezügen ein Ruhegehalt vom Land von über 1.000 Euro pro Monat. Laut Landesrechnungshof sollen sich die vom Land gezahlten Versorgungsbezüge bis Ende der OB-Amtszeit auf etwa 140.000 Euro summieren. So weit, so schlecht.

Als es Mitte 2018 zum Stabwechsel an der Stadtspitze kam, musste Koblenz laut Presseberichten nun als letzter Dienstherr den Löwenanteil der Pensionszahlungen übernehmen, obgleich Hofmann-Göttig  fast 20 Jahre lang als Staatssekretär für das Land Rheinland-Pfalz tätig war. Insofern hatte die alte Landesregierung Beck nicht nur eine Zusatzpension verschenkt, sondern konnte auch noch den Großteil der künftigen Pensionslasten auf Koblenz abwälzen. Die Rechnungsprüfer schätzen die Gesamtbelastung der Stadt dafür auf rund 700.000 Euro, Koblenz machte gegenüber dem Steuerzahlerbund noch keine Angaben dazu.

Allerdings kamen die finanziellen Spätfolgen des Pensionsgeschenks bei vielen Kommunalpolitikern nicht so gut an. Koblenz hat daher ein Gutachten erstellen lassen, um u. a. seine Chancen für eine Klage gegen das Land zu prüfen, das aber aus prozesstaktischen Gründen noch nicht veröffentlicht wurde. Das Land Rheinland-Pfalz ist sich dagegen keiner Schuld bewusst und verweist auf das Beamtengesetz, das in diesem Fall eine jederzeitige und grundlose Ruhestandsversetzung zulässt. Auf eine BdSt-Anfrage hin nannte die Staatskanzlei keine Sachgründe für die Ruhestandsversetzung.

Der BdSt kritisiert:

Es gab eine Zeit in Deutschland, da verteilten Kaiser, Könige und Fürsten huldvoll Leibrenten aus der Staatskasse, um treue Günstlinge zu belohnen. Die Monarchie ist tot, doch die politische Unsitte der Geldgeschenke für Günstlinge blieb. Für die umstrittene Ruhestandsversetzung von Joachim Hofmann-Göttig mitsamt den finanziellen Folgen gab es keine rechtliche Notwendigkeit. Schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass sich ein amtierender Oberbürgermeister eben nicht im „Ruhestand“ befindet. Dass es auch anders gegangen wäre, zeigt der neue Koblenzer OB. David Langner war gleichfalls Staatssekretär beim Land, wurde jedoch laut Stadt für den Jobwechsel nicht in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Demokratie und Willkür vertragen sich nicht. Deshalb gehören sachgrundlose Ruhestandsversetzungen mit goldenem Handschlag abgeschafft.

4. Wie man Steuergeld gendergerecht verschwendet (Land Rheinland-Pfalz)

Seit 2015 fördern das Land Rheinland-Pfalz und die EU die Kompetenzstelle „Freiwillige Lohntests“ mit insgesamt rund 550.000 Euro. Die Kompetenzstelle soll Unternehmen darin beraten, Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten gleich zu bezahlen. Doch das Interesse an den Lohntests ist kaum vorhanden.

Rheinland-Pfalz. Leiten Sie vielleicht ein kleines oder mittleres Unternehmen – kurz KMU – in Rheinland-Pfalz? Ist Ihnen unklar, ob Sie Ihre Mitarbeiter*innen diskriminierungsfrei vergüten? Bezahlen Sie womöglich gleiche oder gleichwertige Arbeit nach Geschlechtern betrachtet nicht gleich? Dann sollten Sie sich dringend von der Kompetenzstelle „Freiwillige Lohntests“ beraten lassen. Etwas Vergleichbares gibt es wohl nirgendwo sonst in Deutschland.

Die seit Januar 2015 bestehende Kompetenzstelle soll KMU für Entgeltgleichheit sensibilisieren. Denn der sogenannte Gender Pay Gap, der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen, beträgt in Rheinland-Pfalz rund 20 Prozent. Netzwerkarbeit, Veranstaltungen und schließlich eine „einzelbetriebliche Unterstützung“ sollen „diskriminierungsfreie Vergütungen“ fördern. Zur finanziellen Unterstützung bekommt die Kompetenzstelle Geld vom Land Rheinland-Pfalz und von der Europäischen Union – von 2015 bis 2017 waren es insgesamt rund 550.000 Euro.

Laut rheinland-pfälzischem Frauenministerium wurden seit 2015 im Durchschnitt aber nur vier Veranstaltungen im Jahr abgehalten und insgesamt rund 90 KMU angesprochen. Bereit zu einem freiwilligen Lohntest soll jedoch nur ein einziges Unternehmen gewesen sein! Wie ist das mangelnde Interesse zu erklären? Aus Sicht des Ministeriums liegt die Schuld dafür bei den KMU, die beim Thema Entgeltgleichheit noch immer sehr zurückhaltend reagieren würden. Entsprechend bezeichnet das Frauenministerium die Arbeit der Kompetenzstelle als „herausfordernd“.

Der BdSt kritisiert:

Der Gender Pay Gap von rund 20 Prozent dient gerne als Aufreger. Doch wer nach strukturellen Unterschieden wie z. B. Ausbildung, Berufe und Arbeitszeit fragt, erhält ein ganz anderes Ergebnis. So lag der um diese Faktoren bereinigte Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2014 – also dem Jahr, bevor die Kompetenzstelle ihre Arbeit aufnahm – bei 6 Prozent! Und selbst dieser niedrige Wert ist kein Ausdruck reiner Diskriminierung. So weist das Statistische Bundesamt darauf hin, dass selbst der bereinigte Gender Pay Gap möglicherweise geringer ausgefallen wäre, wenn weitere lohnrelevante Einflussfaktoren in die Analyse eingeflossen wären. Festzuhalten bleibt: Wohlmeinende Flyer mit Gender-Sternchen können keine strukturellen Unterschiede beseitigen. Ist das womöglich auch die wahre Erklärung für das Desinteresse der Unternehmen an einer Beratung? Angesichts des blamablen Ergebnisses sollte die Förderung zügig eingestellt werden. Placebo-Politik ist keinen einzigen Steuer-Cent wert!

5.Reinfall statt Rheinblick in St. Goar (Kommune)

Was ist ein schöner Blick auf den Rhein wert? Sind dafür 2,4 Mio. Euro angemessen? So viel wird der „Rheinbalkon“, die schiffbugförmige Aussichtsplattform in St. Goar, die Steuerzahler nämlich wohl kosten. Dabei waren für den Rheinbalkon ursprünglich Baukosten von rund 408.000 Euro kalkuliert worden. Vielfältige bautechnische Probleme und teure Nachträge sorgten jedoch für eine extreme Kostenexplosion.  

St. Goar. Mit dem Projekt „Modellstadt St. Goar“ soll die gleichnamige kleine Stadt am Mittelrhein (Rhein-Hunsrück-Kreis) verschönert werden. Zu den Verschönerungsmaßnahmen gehört auch die schiffbugförmige Aussichtsplattform, der Rheinbalkon, der vom Ufer aus einen besseren Blick auf den Fluss bieten soll. Allerdings erwies sich dieser als kostspieliger Problembau.

Anfang 2014 wurden die Baukosten der Aussichtsplattform auf rund 408.000 Euro geschätzt. Nach der öffentlichen Ausschreibung wurde der Auftrag für mehr als 570.000 Euro vergeben. Danach folgten eine ganze Reihe baulicher Probleme und Nachträge, welche die Auftragssumme bis Ende 2015 auf 1,4 Mio. Euro ansteigen ließen. Doch damit nicht genug: St. Goar geht davon aus, dass bis zum Abschluss der Arbeiten im Herbst 2018 die Gesamtausgaben bei 2,4 Mio. Euro liegen werden!

Was ist in St. Goar so gewaltig schiefgegangen? Die umfangreichen Erklärungen der Stadt dazu lesen sich jedenfalls wie ein Paradebeispiel für schlechte Planung und Pfusch am Bau. So gestaltete sich z. B. die Baustelleneinrichtung für die Pfahlgründung wegen der unterschiedlichen Wasserstände und der Strömung als sehr schwierig – wer hätte das am Rhein auch nur erahnen können? Hinzu kam: Der Rheinbalkon war als Pfahlbau aus Stahl geplant worden. Allerdings passten die gegossenen Platten nicht in das Stahlgerüst, da sich die Konstruktion verschoben hatte. Außerdem wurde auch noch eine zusätzliche Spundwand benötigt. Ursprünglich sollte der Rheinbalkon in Betonbauweise verwirklicht werden, aber der Stahlbau wurde als günstiger gepriesen – was für ein Irrtum.

Obwohl St. Goar als Auftraggeber zwar die Mehrkosten für den Rheinbalkon übernahm, will sich die Stadt damit nicht abfinden. Deswegen wurde ein Rechtsanwalt mit der Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzforderungen beauftragt. Die Klageerhebung erfolgt voraussichtlich nach Freigabe des Rheinbalkons. St. Goar selbst will dagegen keine Fehler begangen haben. Ferner wären bei einem Projektabbruch hohe Kosten für den Rückbau und Schadensersatzforderungen entstanden.

Der Bund der Steuerzahler meint: Der Rheinbalkon als solcher ist bereits ein unnötiges Projekt, denn schließlich besitzt St. Goar eine gut ausgebaute Rhein-Promenade. Wenige trockene Schritte mehr Richtung Fluss verbessern das Panorama nicht wirklich. Doch weit schlimmer wird es durch die extreme Kostenexplosion. Käme der Rechtsstreit wirklich, hätten Baugutachter gewiss ihre Freude bei der Ursachenanalyse und Klärung der Verantwortlichkeiten. Letztlich muss sich aber auch St. Goar fragen lassen, ob die Politik des „Weiter so“ richtig war. Wie hoch die Exit-Kosten auch gewesen wären – die tatsächlichen Kosten hätten sie schwerlich übertreffen können. 

6. Grünstädter Rätsel um schlechten Vertrag (Kommune)

Vertragscontrolling wird überschätzt – diese Auffassung scheint jedenfalls die Grünstadter Verwaltung gehabt zu haben. Im Zuge einer Erschließungsmaßnahme schloss die rheinland-pfälzische Stadt mit dem Unternehmen Didier einen Vertrag ab. Grünstadt verpflichtete sich hierbei zur Durchführung verschiedener Baumaßnahmen und bekam dafür 110.000 Euro. Allerdings fielen die Kosten fast sechs Mal so hoch aus. Wie es zu diesem unvorteilhaftem Vertrag kommen konnte, kann Grünstadt nicht erklären.

Grünstadt. Die Konversion von Industriebrachen ist oft herausfordernd. Deswegen ist es gut, wenn Kommunen dabei einen starken privaten Partner haben. Im Fall des Didier-Geländes im rheinland-pfälzischen Grünstadt (Landkreis Bad Dürkheim) übernahm das gleichnamige Unternehmen die privatrechtliche Erschließung des früheren Industriegeländes. Mitte 2006 wurde dafür ein Erschließungsvertrag zwischen Stadt und Unternehmen abgeschlossen.

Allerdings gab es im Vertrag einen Haken, der Grünstadt später teuer zu stehen kam. So verpflichtete  sich die Stadt zum Endausbau der Erschließungsstraßen und Gehwege sowie zur Herstellung des Straßenbegleitgrüns in eigener Verantwortung. Im Gegenzug zahlte Didier der Stadt einen Betrag von 110.000 Euro. Als es Jahre später an die Umsetzung ging, beliefen sich die Gesamtkosten jedoch auf mehr als 630.000 Euro! Ende 2018 sollen die Bauarbeiten beendet werden.

Konfrontiert mit einer BdSt-Anfrage zur hohen Differenz gab Grünstadt an, dass es zwischen 2006 und 2018 im Straßenbau eine Kostensteigerung von mindestens 20 Prozent gegeben habe. Doch warum sich die Vertreter der Stadt seinerzeit mit nur 110.000 Euro als Abstandszahlung begnügten, sei nicht bekannt. Kostenschätzungen und -berechnungen liegen der Stadt nicht vor. Auch telefonische Rückfragen beim damaligen Planungsbüro blieben erfolglos. Selbst die prinzipielle Frage nach dem ,Warum’ zur Übernahme der besagten Bauarbeiten konnte Grünstadt nicht beantworten. Vergleichbare Regelungen gab es nach dem Vertrag mit Didier laut Stadt jedenfalls nicht mehr.

Aus dem Erschließungsvertrag kommt Grünstadt nicht mehr heraus. Mögliche Regressansprüche gegenüber den damaligen Verantwortlichen und Ersatzansprüche gegenüber der kommunalen Versicherung sind verjährt. So bleibt Grünstadt selbst bei Berücksichtigung der normalen Baukostensteigerung auf rund 500.000 Euro an ungedeckten Kosten sitzen.  

Der Bund der Steuerzahler meint:

Es ist schon kurios. Grünstadt verpflichtete sich zur Übernahme diverser Baumaßnahmen zum Vorteil eines Unternehmens – aber die Verwaltung weiß eigentlich nicht so recht, warum. Der Stadt entsteht daraus ein finanzieller Schaden von rund 500.000 Euro – aber die Verwaltung weiß eigentlich nicht so recht, wie das passieren konnte. Wie wäre es mit einem anständigen Vertragsmanagement und -controlling? Ansonsten müssten sich die Bürger noch zu Recht fragen, warum sie überhaupt Steuern zahlen.

7. Mainzer So-da-Brücke bekommt Anbindung (Kommunen)

Im Schwarzbuch 2016 hat der Steuerzahlerbund die Landeshauptstadt Mainz dafür kritisiert, dass sie eine teure Brücke baute und dabei vergaß, die nötigen Grundstücke zur Straßenanbindung zu kaufen. Über drei Jahre nach Fertigstellung der millionenteuren Brücke kommt die Anbindung nun endlich. Allerdings liegen die Mehrkosten dafür bei über 360.000 Euro.

Mainz. So-da-Brücken finden sich häufiger in Deutschland. Sie stehen einfach so da und können nicht für den ursprünglich gedachten Zweck genutzt werden, weil irgendetwas in den verantwortlichen Amtsstuben gewaltig falsch gelaufen ist.

Auch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz konnten die Steuerzahler lange Zeit eine So-da-Brücke besichtigen, die die Koblenzer Straße überquert. Gedacht war die millionenteure Brücke eigentlich für eine bessere Anbindung der Johannes Gutenberg-Universität mitsamt ihres Erweiterungsgebietes. Allerdings hatte die Stadtverwaltung vergessen, von den privaten Eignern die zur Straßenanbindung benötigten Flächen zu kaufen. Mitte 2015 wurde die schicke Brücke zwar fertiggestellt, aber die Straßenbauarbeiten mussten eingestellt werden. Erst drei Jahre später wurde die Grundstücksfrage geklärt. Die Bauarbeiten zur Brückenanbindung wurden wieder aufgenommen und sollen bis zum Jahreswechsel 2018/2019 beendet werden. Dann kann die Brücke endlich ihrem Hauptzweck als Teil einer ÖPNV-Trasse dienlich sein.

Ist damit alles wieder gut? Nicht für die Steuerzahler – denn für bauliche Nachtragsleistungen, eine neue Baugrunduntersuchung, Zinsen sowie für Rückbau- und Stillstandskosten musste Mainz mehr als 360.000 Euro zusätzlich auf den Tisch legen.     

Immerhin bekennt sich das zuständige Dezernat offen zu seiner Schuld. Als Konsequenz habe es verwaltungstechnische Änderungen der Abläufe gegeben, damit sich eine solche Panne nicht wiederholt. Politische Konsequenzen wurden dagegen keine gezogen.

Der Bund der Steuerzahler meint:

Es ist gut, dass die Mainzer Pannenbrücke bald zweckgerecht genutzt werden kann. Wo Menschen arbeiten, passieren gewiss auch Fehler – aber diese Panne war der Verwaltung einer Landeshauptstadt absolut unwürdig. Mit einem selbstverständlichen Maß an Gründlichkeit wären die Mehrkosten von über 360.000 Euro vermeidbar gewesen.

Hinweis: Die Schwarzbuch-Fälle aus ganz Deutschland sind auf www.schwarzbuch.de einsehbar.

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