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Besuch vom Finanzamt

Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e. V. / Steuertipps 01.01.2018

Neue Vorschrift zur unangemeldeten Kassennachschau

Zum 01.01.2018 ist mit dem § 146b Abgabenordnung (AO) eine Neuregelung in Kraft getreten, die es den Prüfern der Finanzäm­ter erlaubt, ohne Vorankündigung in dem Betrieb eines Steuerpflichtigen zu erscheinen, um die Kassenführung zu überprüfen. Wir stellen Ihnen die Vorschrift vor:

Der Wortlaut der Neuregelung sieht vor, dass die damit betrauten Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung, wäh­rend der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten können, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können (Kassen-Nachschau). Es handelt sich um ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäfts­vorfällen. Der Gesetzestext lässt allerdings viele Fragen offen.

Die damit betrauten Amtsträger

Bisher erschien vor allem die Steuerfahndung im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungsverfahren unangemel­det in den Betriebsstätten oder Wohnräumen eines Steuer­pflichtigen, um Durchsuchungsmaßnahmen durchzufüh­ren. Nunmehr haben auch die damit betrauten Amtsträger – gemeint sind die regulären Finanzämter – ein Instrument an die Hand bekommen, um unangemeldet bei einem Steuerpflichtigen zu erscheinen und Prüfungshandlungen durchzuführen. Welche Abteilung des Finanzamtes (Veranlagungs-, Betriebsprüfungsstelle, etc.?) mit dieser Aufgabe betraut ist, ist allerdings unklar.

Ohne vorherige Ankündigung

Anders als bei einer Hausdurchsuchung bedarf es für die Durchführung einer unangemeldeten Nachschau keines Steuerhinterziehungsverdachts. Im Klartext bedeutet dies, dass das Finanzamt beliebig und voraussetzungslos, also quasi nach Gutdünken einzelne Steuerpflichtige kontrollie­ren darf. Das Finanzamt wird die neue Nachschau vor allem dort durchführen, wo Entgelte unmittelbar über eine Kasse – sei es eine offene Ladenkasse oder eine elektronische Re­gistrierkasse – vereinnahmt werden. Zweck der Vorschrift ist die zeitnahe Missbrauchsvermeidung bzw. die Vermeidung von Steuerhinterziehung, insbesondere durch Kassenmani­pulationen.

Außerhalb einer Außenprüfung

Der Erlass einer schriftlichen Anordnung der Nachschau ist nicht erforderlich. Nach dem Gesetzeswortlaut findet die Nachschau außerhalb einer steuerlichen Außenprüfung statt. Deren Regeln und Mechanismen sind damit aus den Angeln gehoben. Eine Möglichkeit sich gegen eine entspre­chende Maßnahme durch einen Einspruch zur Wehr zu set­zen, besteht faktisch nicht. Wenn die bei der Kassen-Nach­schau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung nach § 193 AO übergegangen werden. Auf den Übergang zur Außenprüfung ist lediglich schriftlich hinzuweisen. Dem Steuerpflichtigen bleibt also der Rechtsweg abgeschnitten. Schlussendlich bedeutet dies einen tiefgreifenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen, denn durch den Übergang zur Außenprüfung können belastende Prüfungsfeststellungen getroffen werden.

Während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten

Eine Kassennachschau kann während der üblichen Ge­schäfts- und Arbeitszeiten durchgeführt werden. Dies be­deutet, dass eine Nachschau auch bei intensivem Kunden­betrieb, etwa zu Kerngeschäftszeiten durchgeführt werden kann. Unbemerkt wird der Besuch der Finanzbeamten in diesen Fällen nicht bleiben, sodass in vielen Fällen eine er­hebliche Rufschädigung zu erwarten ist. Die anwesenden Kunden werden den Unterschied zwischen Durchsuchungs­maßnahme und Kassennachschau nicht kennen. Nicht ge­meint sind die üblichen Geschäftszeiten des Finanzamtes. Es kommt vielmehr auf die Gegebenheiten, also die Betriebs­zeiten des überprüften Betriebes an. Vor allem im gastrono­mischen Bereich werden Nachschauen daher auch abends und nachts zu erwarten sein. Wie der Begriff der Arbeitszei­ten auszulegen ist, ist unklar. Denn die Arbeitszeiten eines Unternehmers sind von außen nicht einsehbar.

Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume

Betreten werden dürfen ohne weiteres Geschäftsgrundstü­cke oder Geschäftsräume. Aber damit ist nicht Schluss: Auch Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers betreten werden, dies allerdings nur zur Verhütung dringender Ge­fahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Welche Voraussetzungen hierfür gegeben sein müssen und wer eine entsprechende Entscheidung zu treffen hat, ist unklar. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

Offenlegungs- und Herausgabepflichten

Die von der Kassen-Nachschau betroffenen Steuerpflichti­gen haben dem Amtsträger auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sons­tigen Organisationsunterlagen über die der Kassen-Nach­schau unterliegenden Sachverhalte und Zeiträume vor­zulegen und entsprechende Auskünfte zu erteilen. Die Sachverhalte müssen in jedem Fall einen Kassenbezug ha­ben. Das bedeutet es können nicht wahllos Schubladen ge­öffnet bzw. Aktenordner herausverlangt und durchgesehen werden.

Liegen die oben genannten Aufzeichnungen oder Bücher in elektronischer Form vor, ist der Amtsträger berechtigt, diese einzusehen, die Übermittlung von Daten über die einheit­liche digitale Schnittstelle zu verlangen oder zu verlangen, dass Buchungen und Aufzeichnungen auf einem maschinell auswertbaren Datenträger nach den Vorgaben der einheitli­chen digitalen Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Ein besonderes Schmankerl: Die Kosten, insbesondere der Kassenauslesung, hat der Steuerpflichtige zu tragen. Dies gilt unabhängig davon, ob er sich etwas zu Schulden hat kommen lassen oder nicht.

Zusammenfassung

Die unangemeldete Kassennachschau erhöht die Eingriffs­befugnisse der Finanzverwaltung in die Rechte der Steuer­bürger. Der Zweck der Vorschrift – die Missbrauchsvermei­dung und die Vermeidung von Steuerhinterziehung – ist legitim. Allerdings geht die Vorschrift vor allem auch auf die Kosten aller redlichen Steuerbürger, die durch die Neurege­lung massive Eingriffe in Ihre Grundrechte dulden müssen.

Lohnt es sich, gegen die Vorschrift im Wege einer Musterkla­ge vorzugehen? Ganz neu ist die Regelungssystematik nicht. Mit der Umsatzsteuer-Nachschau existiert in § 27b UStG be­reits eine Parallelvorschrift. Diese bezieht sich ausschließ­lich auf umsatzsteuerlich relevante Sachverhalte. Sie ist aber ähnlich ausgestaltet. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Rege­lung wurde bereits durch die Rechtsprechung bestätigt. Man kann also nur hoffen, dass die Finanzverwaltung – sowohl was Auswahl, als auch Durchführung betrifft – moderat mit dem neuen Instrument umgeht.

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