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Rente de luxe für NRW-Abgeordnete
Die Fraktionen von CDU, SDP, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im NRW-Landtag haben eine weitreichende Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Versorgungswerkgesetzes beschlossen: Der Betrag, den sie zusätzlich zu ihren Diäten (knapp 9.840 Euro monatlich) für ihre Altersversorgung erhalten (2.539 Euro), wird nun um jährlich mindestens 6,5% erhöht. Bisher liegt die Steigerung bei 3,5%.
Diskret: Die Gesetzesänderung
Sang- und klanglos ist am 24. Mai 2023 das Abgeordnetengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (AbgG NRW) geändert worden. Genauer gesagt: Es war der Mittwoch nach Christi Himmelfahrt und vor dem langen Pfingswochenende, an dem sich die meisten NRW-ler um Ausflüge und Grillgut künmmerten, nicht aber um Gesetzgebungsprozesse. An diesem Mittwoch genehmigten sich die Abgeordneten des Landtags eine üppige Erhöhung ihrer Altersversorgung – und zwar auf dem kürzestmöglichen Dienstweg: bereits nach der ersten Lesung, ohne jede Aussprache im Plenum, ohne Beratung in einem Fachausschuss und ohne eine neu angesetzte zweite Lesung. Der Gesetzentwurf (18/4359) vom 16. Mai, ausgegeben am 19. Mai (der Freitag nach Christi Himmelfahrt), wurde am 24. Mai „mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, GRÜNEN und FDP bei Enthaltung der Fraktion der AfD nach der 1. Lesung angenommen“. So steht es im Beschlussprotokoll (PIBPr 18/33). Vermerkt ist dort auch, dass die „1. Lesung und 2. Lesung“ am selben Tag stattfanden. Auf der Webseite des Landtags steht: „Nach der 2. Lesung am 24.05.2023 ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN bei Enthaltung der AfD angenommen und verabschiedet worden. Artikel 1 tritt am 1. Juli 2023, Artikel 2 tritt am 1. Januar 2024 in Kraft.“
Irritierend ist der Prozess nicht nur wegen seiner zeitlichen Kompaktheit. Das Procedere an sich entspricht nicht dem üblichen Verfahren, wie es in der Geschäftsordnung des Landtags NRW geregelt ist. Hier ist nämlich festgeschrieben, dass Gesetzentwürfe in zwei Lesungen beraten werden (§73). In der ersten Lesung geht es um die Begründung und eine grundsätzliche Beratung, in der zweiten wird der Gesetzentwurf im Einzelnen beraten. „Zwischen der ersten Lesung und dem Beginn der zweiten Lesung muss mindestens ein Tag liegen, an dem keine Lesung des Gesetzentwurfs stattfindet“ (§76). Das war in diesem Fall definitiv nicht so. Im Ältestenrat hatten die Fraktionen im Vorfeld den verkürzten Prozess vereinbart. Nicht nur formal, auch inhaltlich lässt das Gesetz zu wünschen übrig (es sei denn, man ist Abgeordneter des NRW-Landtags).
Bei der Änderung des Abgeordnetengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Versorgungswerksgesetzes NRW geht es um eine üppige Erhöhung der Altersversorgung. Abgeordnete erhalten zusätzlich zu ihrer monatlichen Diät von knapp 9.840 Euro einen Betrag für ihre Altersversorgung. Dieser wird jetzt jährlich um mindestens 6,5% steigen. (Bisher lag die Erhöhung bei 3,5%.) Eine Steigerung, von der Mitglieder der Gesetzlichen Rentenversicherung nur träumen können.
Nun ist es so, dass eine Gesetzesänderung einer Begründung bedarf. Die Begründung in diesem Fall: Die Altersversorgung der Landtagsabgeordneten durch Abführungen von Beiträgen an das Versorgungswerk unterliege keiner Dynamisierung, die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung hingegen hätten in den vergangenen Jahren deutliche Steigerungen erfahren. Im Gesetzentwurf heißt es: „Um eine auskömmliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Abgeordneten zu gewährleisten, wird in § 15 Absatz 5 Abgeordnetengesetz der Steigerungssatz der an das Versorgungswerk monatlich abzuführenden Beiträge unter Berücksichtigung der steuerrechtlich zulässigen Grenzen erhöht.“ Die Kosten für die Erhöhung des Steigerungssatzes betragen für das Jahr 2023 bereits 89.129 EUR. Der Zuschuss zu den Anwartschaften beträgt pro Jahr rund 200.000 EUR.
Maßlos: Altersversorgung de luxe
Ein Rechenexempel:
- Aktuell erhält ein Landtagsabgeordneter zusätzlich zu seiner Diät (von knapp 9.840 Euro monatlich) für seine Altersversorgung 2.539 Euro, die in das Versorgungswerk eingezahlt werden. In zwei Legislaturperioden wird somit eine Anwartschaft in Höhe von durchschnittlich 2.130 Euro erworben (altersabhängig; die Summe ist umso höher, je jünger der Abgeordnete ist). Steigt der Beitrag um die geplanten 6,5%, beträgt die Rentenanwartschaft 2.450 Euro. Erarbeitet in 10 Jahren.
- Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Rentner („Eckrentner“), der 45 Jahre lang durchschnittliche Beiträge in die Gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, erwirbt in 10 Jahren eine Rentenanwartschaft von 376 Euro.
- Geht man von einem Rentner aus, der 10 Jahre den Höchstbeitrag einzahlt, erwirbt er eine Anwartschaft von rund 800 Euro.
Ziel der 6,5prozentigen Steigerungsrate ist es, in möglichst kurzer Zeit eine Einzahlungssumme von rund 3.500 Euro monatlich zu erreichen. Orientierungspunkt ist dabei der Höchstbeitrag, den berufsständische Versorgungswerke in ihren Satzungen festlegen dürfen, der in der Praxis aber bei weitem nicht ausgereizt wird. So dürfen nordrhein-westfälische Rechtsanwälte in ihr Versorgungswerk höchstens 2.036,70 Euro monatlich einzahlen, Ärzte im Bereich der Ärztekammer Nordrhein in ihr Versorgungswerk höchstens 2.349,40 Euro. Die durchschnittlichen tatsächlichen Einzahlungen nordrhein-westfälischer Rechtsanwälte und Ärzte liegen jedoch deutlich unter diesen zulässigen Höchstbeiträgen. Die Abgeordneten halten dagegen einen Monatsbeitrag von 3.500 Euro monatlich für nötig, um „eine auskömmliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu gewährleisten“, so die Begründung im Gesetzentwurf. Mit dem Gesetz soll ein Zuschuss in Höhe von 200.000 Euro pro Jahr, den das Land eigentlich nur bis 2019 zusätzlich pauschal in das Versorgungswerk einzahlen sollte, verstetigt und festgeschrieben.
Rückblick: Diätenreform 2005
Vor knapp 20 Jahren hat sich der Bund der Steuerzahler mit dem Start einer Volksinitiative für Transparenz und weniger Privilegien bei den Diäten der Landtagsabgeordneten eingesetzt. Mit Erfolg: 107.000 Unterschriften wurden gesammelt. Im Zuge der Reform wurde das Versorgungswerk der Mitglieder des Landtags eingerichtet. Statt des vormals staatlich finanzierten Versorgungssystems ohne eigene Beitragsleistung zahlen die Abgeordneten seitdem selbst für ihre Altersversorgung Beiträge, die sie zusätzlich zu ihren Diäten erhalten, in dieses Versorgungswerk ein.
Fazit: Forderungen des BdSt NRW
Die jetzige Begründung für die Erhöhung der Beiträge zur Altersversorgung, nämlich eine bisher fehlende Dynamik, stimmt erstens nicht (es waren plus 3,5% jährlich festgesetzt). Zweitens bedeutet Dynamik, dass es auch mal bergab gehen kann. Nullrunden sind allerdings beim neuen Abgeordnetengesetz ausgeklammert mit einer garantierten Steigerung von 6,5%. Drittens hilft ein Blick weg von den Prozenten hin zu absoluten Zahlen: Sich innerhalb von zehn Arbeitsjahren als Landtagsabgeordneter eine Rente von 2.450 Euro zu sichern (finanziert durch Steuergelder!) steht in keiner Relation zum Durchschnittsrentner, der sich im selben Zeitraum nur knapp 400 Euro erarbeitet.
Der Vorsitzende des Bunds der Steuerzahler NRW, Rik Steinheuer, hat die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SDP, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im NRW-Landtag angeschrieben und kritisiert einerseits die „ohne jede Eilbedürftigkeit rund um das Himmelfahrtswochenende durch das Parlament gepeitschten Änderungen bei der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Landtagsabgeordneten“. Auf der anderen Seite mahnt Steinheuer: „Das Niveau der Altersversorgung der Landtagsabgeordneten erreicht damit wieder ein von der Lebenswirklichkeit selbst gutverdienender Bürgerinnen und Bürger völlig abgehobenes Niveau.“
Für den Bund der Steuerzahler NRW zeigt dieser Gesetzentwurf, wie weit die Landtagsabgeordneten von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt sind, von denen sie gewählt wurden. Wenn die Abgeordneten der Ansicht sind, dass die Steigerungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung der vergangenen Jahre die gesetzlichen Rentner besserstellen – auch das geht aus der Begründung im Gesetzentwurf hervor –, lautet unser Vorschlag: Statt ins Versorgungswerk sollen die Abgeordneten in die Gesetzliche Rente einzahlen. Eine solche Regelung wäre klar und eindeutig und entspräche dem Geist der Diätenreform, mit der im Jahr 2005 die Privilegien der Abgeordneten und insbesondere ihre übertriebene staatliche Altersversorgung abgeschafft wurden. Im Gegenzug wurden seinerzeit die monatlichen Diäten in etwa verdoppelt. Eine staatliche Vollversorgung, obwohl jedes Mitglied des Landtags in der Regel vor und nach seiner Zeit als Abgeordneter (und etliche auch parallel zum Mandat) einer Erwerbstätigkeit nachgeht und fürs Alter vorsorgt, ist heute so indiskutabel wie vor 20 Jahren. Mit dem vorliegenden Gesetz machen die Abgeordneten eine Rolle rückwärts und senden ein verheerendes Signal. Sie verabschieden sich von dem Konsens mit den Bürgern, die 2005 unserer „Volksinitiative Diätenreform“ innerhalb weniger Wochen zum Erfolg verholfen haben. Rik Steinheuer: „Wir finden es in höchstem Maße bedauerlich, dass der nordrhein-westfälische Landtag den im Jahr 2005 so entschlossen eingeschlagenen Weg einer transparenten und vorbildlichen Abgeordnetenbezahlung wieder verlassen hat.“